Die Apokalyptischen Reiter: das weiße Pferd

Die Apokalyptischen Reiter: das weiße Pferd © Sherwin Schwartzrock und Jonathan Koelsch
Manche verwechseln den ersten Apokalyptischen Reiter mit dem wiederkehrenden Jesus, der in Offenbarung 19 ebenfalls als Reiter auf einem weißen Pferd erscheint.

Seit Jahrhunderten haben die vier Apokalyptischen Reiter der Offenbarung die Menschen fasziniert. Was stellen diese prophetischen Gestalten dar? Die Antwort mag Sie überraschen, hat sie doch mit unserer Zukunft zu tun. In dieser ersten Folge unserer neuen Artikelreihe befassen wir uns mit dem ersten der vier Reiter.

Von Paul Kieffer und Darris McNeely

Es fasziniert die abendländische Welt mehr als jeder andere Teil der Bibel: die Apokalypse. Manches geflügelte Wort aus diesem letzten Buch der Bibel hat sich in das sprachliche Bewußtsein unserer westlichen Kultur eingeprägt: das große Babylon, Harmagedon usw. Unter den prophetischen Sinnbildern, die wir in der Offenbarung des Johannes finden, sind auch die vier Apokalyptischen Reiter. Sollen wir uns diese Reiter nur als Fabelwesen vorstellen – Gestalten, die immer wieder die Fantasie der Science-fiction-Autoren angeregt haben? Können Sie sich vorstellen, daß die symbolische Bedeutung der vier Reiter heute unmittelbar mit uns und unserer Zukunft zu tun hat?

Das Buch der Offenbarung ist wie das Drehbuch eines Zukunftsfilms, der dem Leser erlaubt, sich mitten in die letzten Jahre unseres menschlichen Zeitalters zu versetzen. Gemeint ist die Zeit unmittelbar vor dem Anbruch einer neuen Ära, wenn der Messias auf die Erde zurückkommen wird, um unserer von Krisen geschüttelten Welt endlich dauerhaften Frieden zu bringen.

Die Prophezeiungen der Bibel haben in früheren Zeiten das Denken mancher Gläubigen stark beeinflußt. So war der pragmatische Theologe Martin Luther überzeugt, daß der „liebe jüngste Tag“ zu seinen Lebzeiten kurz bevorstünde oder zumindest in spätestens 100 Jahren eintreffen würde. Noch während er das Alte Testament übersetzte, befürchtete Luther, die Wiederkunft Christi könnte sich noch vor dem Abschluß seiner Bibelübersetzung ereignen.

Die moderne Theologie vertritt freilich einen ganz anderen Standpunkt. Die meisten der heutigen Bibelgelehrten glauben nicht mehr daran, daß sich die Prophezeiungen der Offenbarung auf die Zukunft beziehen. Statt dessen reduzieren sie die Offenbarung des Johannes auf eine Beschreibung der Verfolgungen der frühen Christengemeinden.

Schon im 3. Jahrhundert n. Chr. wurde das Buch der Offenbarung nicht mehr für wert erachtet, zum neutestamentlichen Kanon gerechnet zu werden. Hieronymus und andere Kirchenväter sahen in den Endzeitvisionen des Apostels Johannes eine Ermutigung für religiösen Fanatismus und in seinen Symbolen, die von einigen als antirömisch ausgelegt wurden, sogar eine mögliche Ursache für zivilen Ungehorsam.

Der Kirchenlehrer Augustinus (354-430 n. Chr.) argumentierte, was schon bald der offizielle Standpunkt der Staatskirche werden sollte: Das Buch der Offenbarung solle nicht wörtlich oder als zukunftsweisend angesehen werden, sondern lediglich als eine Allegorie des Kampfes zwischen Gut und Böse bzw. zwischen der Kirche und der Welt. Binnen kurzer Zeit wurde diese Neuinterpretation der Johannes-Visionen zum anerkannten Lehrsatz eines abgewandelten Christentums, das erst allmählich nach dem Ableben der ersten Christengeneration entstanden ist.

Können wir der heutigen Theologie beruhigt Glauben schenken, oder sind wir es uns selbst schuldig, den Glauben der Apostel und der ersten Christen zu erforschen, damit wir von dem zukünftigen Geschehen auf der Welt nicht überrascht werden? Versteht man die symbolische Bedeutung des ersten der vier Apokalyptischen Reiter, so verwundert es nicht, daß nach den Vorstellungen einiger Kirchenlehrer die Gläubigen späterer Generationen das Buch der Offenbarung lieber ignorieren sollten.

„Bühne frei“ für die Apokalyptischen Reiter

Niedergeschrieben wurde die Offenbarung mit großer Wahrscheinlichkeit zur Zeit des römischen Kaisers Domitian (81-96 n. Chr.). Der Autor nennt sich Johannes, den die früheste Tradition als den Apostel Johannes identifiziert.

Als Johannes die Zukunftsvision erhielt, die er für uns in der Offenbarung beschreibt, lebte er als Gefangener auf der griechischen Insel Patmos (Offenbarung 1,9), die eine römische Strafkolonie für politische Gefangene war und auf die er anscheinend wegen seiner Verkündigung des Reiches Gottes geschickt wurde.

Seiner eigenen Schilderung nach wurde Johannes auf Patmos „vom Geist ergriffen am Tag des Herrn“ (Vers 10). Mit dem Begriff „Tag des Herrn“ meint Johannes nicht etwa einen bestimmten Wochentag – z. B. den Sonntag –, wie einige vermuten, sondern eine Zeit, in der der Schöpfer in die Angelegenheiten des Menschen eingreifen wird. Im Mittelpunkt der turbulenten Ereignisse an diesem „Tag“ ist die dramatische Wiederkehr des Messias.

Zur Zeit Johannes’ gab es nur die hebräische Bibel, die wir als das Alte Testament kennen. Dem bibelkundigen Leser jener Zeit wäre der „Tag des Herrn“ ein vertrautes Wort aus vielen Prophezeiungen gewesen, so zum Beispiel beim Propheten Jesaja: „Denn siehe, des Herrn Tag kommt grausam, zornig, grimmig, die Erde zu verwüsten und die Sünder von ihr zu vertilgen“ (Jesaja 13,9).

Der „Tag des Herrn“ ist also gleichbedeutend mit der Endzeit, den letzten Tagen der heutigen Zivilisation unter der Herrschaft des Menschen, wie wir sie kennen. Mit seinem Bericht vermittelt uns Johannes einen Einblick in diese Zeit, die in der Rückkehr Jesu Christi und der Schaffung einer neuen Weltordnung unter seiner Herrschaft gipfelt.

Jesus Christus selbst erwähnte eine Endzeitkrise, die seiner Wiederkehr vorausgehen und eine neue Ära einleiten wird. Die Rede, in der Jesus diese Zeit ankündigte, wurde später die Ölbergprophezeiung genannt, da er sie kurz vor seinem Tode auf dem Ölberg vor den Toren Jerusalems hielt. Jesus beschrieb eine Zeit, die so schrecklich sein wird, daß kein Mensch überleben würde, „wenn diese Tage nicht verkürzt würden“ (Matthäus 24,22). Damit sagte Jesus die Fähigkeit des Menschen zur Selbstausrottung voraus. Seine Worte sind im 20. Jahrhundert wahr geworden! Durch atomare Waffen und biologische bzw. chemische Kampfstoffe – die viel billiger herzustellen sind als Kernwaffen – ist es möglich, alles Leben auf der Erde auszulöschen.

Die Prophezeiung auf dem Ölberg ist die Antwort Jesu auf eine Frage, die ihm seine Jünger stellten und die seither viele Menschen beschäftigt hat: „Was wird das Zeichen sein für dein Kommen und für das Ende der Welt?“ (Matthäus 24,3). Jesus nennt den Zeitraum unmittelbar vor seiner verheißenen Wiederkehr zwar nicht beim Namen, aber in seiner Schilderung behandelt auch er, wie Johannes in der Offenbarung, den „Tag des Herrn“ und die Zustände, die dieser Zeit vorausgehen.

Die ersten vier Zeichen, die Jesus in Matthäus 24 nennt, nach denen seine wahren Jünger Ausschau halten sollen, sind analog zu sehen zu den ersten vier der geheimnisvollen sieben Siegel, mit denen ein prophetisches Buch versiegelt ist, das Johannes in seiner Vision sieht (Offenbarung 5,1). Zu Johannes’ Lebzeiten galt römisches Recht, und nach diesem Recht wurden Dokumente gelegentlich mit sieben Siegeln versiegelt. Die sieben Siegel dienten als Gewähr für die Echtheit des Inhalts. In der Bibel bedeutet die Zahl „sieben“ Vollständigkeit: Die durch die Siegel vermittelte Prophezeiung liefert uns einen vollständigen Überblick zu dem Geschehen vor und zu der Zeit, wenn Jesus zur Erde zurückkehrt.

In der Vision des Johannes ist nur das Lamm – Jesus Christus – in der Lage, das Buch aufzutun und die sieben Siegel nacheinander zu öffnen (Offenbarung 5,7-9). Nur Jesus vermag uns die prophetischen Ereignisse zu deuten und zu offenbaren. Johannes schaut zu, während Jesus die Siegel öffnet, und beschreibt die Vision, die jedes Siegel enthält.

Die ersten vier Siegel sind die Apokalyptischen Reiter, die plötzlich erscheinen und vier Arten menschlichen Leidens darstellen, die sich seit der Zeit der ersten Christen durch die Jahrhunderte ziehen und bis zum „Tag des Herrn“ andauern werden. Jeder der vier Reiter sitzt auf einem andersfarbigen Pferd, und jedes Pferd hat seine eigene symbolische Bedeutung. Was stellt das erste Pferd dar?

Das erste Siegel: das weiße Pferd

Johannes beschreibt die Szene, als Jesus das erste Siegel öffnet: „Und ich sah, daß das Lamm das erste der sieben Siegel auftat, und ich hörte eine der vier Gestalten sagen wie mit einer Donnerstimme: Komm! Und ich sah, und siehe, ein weißes Pferd. Und der darauf saß, hatte einen Bogen, und ihm wurde eine Krone gegeben, und er zog aus sieghaft und um zu siegen“ (Offenbarung 6,1-2).

Weiß ist ein Sinnbild der Reinheit und des Friedens. Bei dem ersten der Apokalyptischen Reiter geht es um jemanden, der für die Sache des Friedens aufzutreten scheint, der jedoch wie ein Eroberer wirkt und anderen seine Vorstellung des Friedens aufdrängt.

Manche verwechseln diesen Reiter mit dem wiederkehrenden Jesus, der in Offenbarung 19 ebenfalls als Reiter auf einem weißen Pferd erscheint. Eine genaue Untersuchung beider Abschnitte weist bedeutende Unterschiede auf. Jesus trägt viele Kronen (Vers 12), der Apokalyptische Reiter hingegen hat nur eine. Aus dem Munde Jesu geht ein scharfes Schwert hervor (das Wort Gottes ist wie ein zweischneidiges Schwert, vgl. dazu Hebräer 4,12), der Reiter in Offenbarung 6 „hatte einen Bogen“.

In Matthäus 24 gab Jesus seinen Jüngern als erstes Zeichen eine Warnung vor falschen Lehrern, die sich als seine Gesandten ausgeben: „Seht zu, daß euch nicht jemand verführe. Denn es werden viele kommen unter meinem Namen und sagen: Ich bin der Christus, und sie werden viele verführen“ (Verse 4-5). Jesus wußte, daß falsche Lehrer sich als seine Nachfolger ausgeben, in Wirklichkeit aber seine Lehre entstellen würden. Solche Lehrer wurden immer beliebter, und ihre Anhänger waren zum Schluß in der Mehrheit, genauso wie Jesus es vorausgesagt hatte.

Der erste Reiter verheißt den Menschen etwas – Frieden –, was nur der wahre Messias, Jesus Christus von Nazareth, bringen kann. Vielleicht schafft die religiöse Bewegung, die das weiße Pferd mit seinem Reiter symbolisiert, einen Pseudo-Frieden, wie Paulus ihn für die Endzeit voraussagte: „Von den Zeiten und Stunden aber, liebe Brüder, ist es nicht nötig, euch zu schreiben; denn ihr selbst wißt genau, daß der Tag des Herrn kommen wird wie ein Dieb in der Nacht. Wenn sie sagen werden: Es ist Friede, es hat keine Gefahr –, dann wird sie das Verderben schnell überfallen wie die Wehen eine schwangere Frau, und sie werden nicht entfliehen“ (1. Thessalonicher 5,1-3; alle Hervorhebungen durch uns).

Ein „anderes Evangelium“ verdrängt die Botschaft Jesu

Nur wenige Jahre nach dem Tod Jesu drang „ein anderes Evangelium“ in die Kirche ein (Galater 1,6-7). Das Neue Testament zeigt, wie sich die Apostel diesem „verkehrten“ Evangelium widersetzten. Der Apostel Paulus warnte die Ältesten der Gemeinde zu Ephesus vor falschen Lehrern, deren Auftreten Jesus vorausgesagt hatte: „So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, daß nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen“ (Apostelgeschichte 20,28-30).

In den letzten Jahren seines Lebens wies auch der Apostel Petrus auf die Gefahr der Verführung hin. Er erteilte allen, die falsche Lehren in die Gemeinde einschleusen wollten, eine scharfe Zurechtweisung: „Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volk, wie auch unter euch sein werden falsche Lehrer, die verderbliche Irrlehren einführen und verleugnen den Herrn, der sie erkauft hat; die werden über sich selbst herbeiführen ein schnelles Verderben“ (2. Petrus 2,1).

Noch vor dem Ende des ersten Jahrhunderts der christlichen Ära sah Petrus voraus, daß viele Christen auf die theologischen Argumente dieser falschen Lehrer hereinfallen werden: „Und viele werden ihnen folgen in ihren Ausschweifungen; um ihretwillen wird der Weg der Wahrheit verlästert werden“ (Vers 2). Petrus nennt die christliche Lebensweise „den Weg der Wahrheit“; sie ist unzertrennlich mit wahrer Lehre verknüpft. Auf diesem Weg sind wahre Christen in den Jahrhunderten seit der Gründung der Kirche Gottes gegangen. Jesus beschreibt diese Lebensweise als den Weg, den nur wenige finden (Matthäus 7,13-14).

Eine andere Kirche dominiert

Als der Apostel Johannes die Vision sah, die er in der Offenbarung niederschrieb, näherte sich das erste Jahrhundert n. Chr. seinem Ende. Durch die von dem römischen Kaiser Domitian eingeleitete Christenverfolgung und durch die rasche Ausbreitung falscher Lehren wurde die wahre Kirche Jesu doppelt geprüft. In dieser Zeit schrieb Johannes auch die drei Briefe, die unter seinem Namen im Neuen Testament erscheinen.

Die Briefe des Johannes zeugen von wachsenden Spannungen in den Gemeinden und von dem Einfluß falscher Lehrer. Johannes wußte, wie einfach es war, sich auf göttliche Autorität zu berufen und damit die Menschen zur Annahme verwerflicher Ideen mit destruktiven Auswirkungen zu bewegen. Er appellierte an die Verantwortung einzelner Christen und der Gemeinde insgesamt, Aussagen auf deren Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen: „Ihr Lieben, glaubt nicht einem jeden Geist, sondern prüft die Geister, ob sie von Gott sind; denn es sind viele falsche Propheten ausgegangen in die Welt“ (1. Johannes 4,1).

Auch Judas erkannte das Ausmaß der Verführung, die bereits vor dem Ende des ersten Jahrhunderts n. Chr. stattgefunden hatte. Er hielt es für notwendig, die Gläubigen zu ermahnen, sich für die ursprüngliche Lehre, die Jesus und seine Apostel der Gemeinde überliefert hatten, einzusetzen: „Ihr Lieben, nachdem ich ernstlich vorhatte, euch zu schreiben von unser aller Heil, hielt ich’s für nötig, euch in meinem Brief zu ermahnen, daß ihr für den Glauben kämpft, der ein für allemal den Heiligen überliefert ist“ (Judas 1,3).

Innerhalb von nur wenigen Jahrzehnten war der „Weg der Wahrheit“ durch den Einfluß falscher Lehrer stark kompromittiert worden. Durch den Einfluß dieser Verführer entstand mit der Zeit eine Kirche, die sich zwar auf den Namen Jesus berief, in ihren Praktiken und Lehren jedoch wenig Ähnlichkeit mit der Gemeinde hatte, die im Neuen Testament beschrieben wird.

Der Historiker Charles Guignebert kommentierte diese Verwandlung folgendermaßen: „Untersucht man die christliche Kirche zu Beginn des 4. Jahrhunderts, hat man manche Schwierigkeiten, in ihr die Gemeinde der apostolischen Zeit wiederzuerkennen, ja, man wird sie gar nicht wiedererkennen können“ (Charles Guignebert, The Early History of Christianity, Seite 122, Hervorhebung durch uns).

Der römische Kaiser Konstantin erhob dieses neue Christentum zur Staatsreligion. Mit der Zeit verband sich die Staatsgewalt mit der Struktur und der Autorität der Kirche, woraus die Fähigkeit erwuchs, doktrinäre „Reinheit“ durch die Verfolgung Andersgläubiger durchzusetzen. Das abgewandelte Christentum, wie der erste Apokalyptische Reiter, „zog aus sieghaft und um zu siegen“ (Offenbarung 6,2). Im Namen Christi machte es sich dieses Christentum zur Aufgabe, alle zu unterdrücken, die sich ihm widersetzten.

Die große Verführung der Zukunft

Jesu Vorhersage, daß falsche Lehrer in seinem Namen auftreten und viele verführen würden, ist wahr geworden. Zum größten Teil ist die Kirchengeschichte ein Bericht über die Lehren und Traditionen dieses abgewandelten Christentums, worin es sich in gravierender Weise von dem Glauben der ersten Christen unterscheidet. Die Geschichte aller derjenigen, die dem Christentum des Neuen Testamentes treu blieben, läßt sich hingegen nicht so leicht rekonstruieren.

Heute ist die Anzahl derer, die am Glauben Jesu und seiner Apostel festhalten, im Vergleich zu der breiten Masse, die das abgewandelte Christentum unserer Zeit praktiziert, verschwindend gering. Schließlich sagte Jesus selbst: „Wie eng ist die Pforte und wie schmal der Weg, der zum Leben führt, und wenige sind’s, die ihn finden!“ (Matthäus 7,14).

Doch selbst diese wenigen sind der Gefahr einer kommenden Verführung ausgesetzt – der letzte Versuch des ersten Apokalyptischen Reiters, über Andersgläubige zu siegen. In seiner Prophezeiung auf dem Ölberg beschreibt Jesus, in Übereinstimmung mit der Reihenfolge der Ereignisse in der Offenbarung, das Geschehen in der Zeit unmittelbar vor seiner Wiederkehr: „Denn es werden falsche Christusse und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder tun, so daß sie, wenn es möglich wäre, auch die Auserwählten verführten“ (Matthäus 24,24). Selbst die Auserwählten – diejenigen, „die Gottes Gebote halten und das Zeugnis Jesu haben“ (Offenbarung 12,17), werden dieser Verführung ausgesetzt sein.

Der Apostel Paulus beschrieb diese Zeit der Verführung in 2. Thessalonicher, Kapitel 2. In seiner Prophezeiung geht es um einen „Menschen der Bosheit“, der in der Zeit vor der Rückkehr Jesu wirkt. Dieser „Mensch der Bosheit“ ist „der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott oder Gottesdienst heißt“. Er wird sich sogar „in den Tempel Gottes“ setzen und vorgeben, „er sei Gott“. Sein Einfluß wird fast unwiderstehlich sein, denn er „wird in der Macht des Satans auftreten mit großer Kraft und lügenhaften Zeichen und Wundern“ (Verse 3-9).

Die Beschreibung dieses „Menschen der Bosheit“ ähnelt einem der beiden Tiere in Offenbarung, Kapitel 11, das „zwei Hörner hatte wie ein Lamm und redete wie ein Drache“ (Vers 11). Dieses Tier – in Wirklichkeit ein Mensch – arbeitet mit dem anderen Tier (Vers 1) zusammen und veranlaßt, daß das andere Tier angebetet wird: „Und es tut große Zeichen, so daß es auch Feuer vom Himmel auf die Erde fallen läßt vor den Augen der Menschen; und es verführt, die auf Erden wohnen, durch die Zeichen, die zu tun vor den Augen des Tieres ihm Macht gegeben ist; und sagt denen, die auf Erden wohnen, daß sie ein Bild machen sollen dem Tier, das die Wunde vom Schwert hatte und lebendig geworden war“ (Verse 13-14).

Worum geht es hier? Es ist eine Beschreibung eines letzten Versuchs, den Menschen ein System aufzudrängen, das sich auf Lügen, Verwirrung und Verführung gründet. Daß eine falsche Religion hier wirksam sein wird, ergibt sich aus den bisher behandelten Warnungen und Prophezeiungen des Neuen Testamentes.

Ein Mann, der sich als Gott bzw. Stellvertreter Gottes ausgibt, vollbringt Wunder und Zeichen in der Absicht, die Menschen zur Anbetung eines Systems zu animieren, das den Anschein erweckt, es würde der Welt etwas Gutes tun. Es wird das allerletzte Aufleben eines Systems sein, das die Bibel mit folgenden Worten beschreibt: „Das große Babylon, die Mutter der Hurerei und aller Greuel auf Erden“ (Offenbarung 17,5).

In seiner Prophezeiung auf dem Ölberg sagte Jesus religiöse Verführung als Vorbote von „Kriegen und Kriegsgeschrei“ voraus. Der zweite Apokalyptische Reiter sitzt auf einem roten Pferd und nimmt „den Frieden von der Erde“ (Offenbarung 6,4). Auf die Verbindung zwischen Religion und Krieg gehen wir in der nächsten Folge dieser Reihe ein.

Die Lehren und Praktiken der ersten Christen

In der Apostelgeschichte lesen wir einen Augenzeugenbericht über die Entwicklung in der Kirche in den ersten drei Jahrzehnten ihrer Existenz. Das zweite Kapitel beschreibt den Gründungstag der neutestamentlichen Gemeinde.

Viele Bibelleser kennen die wunderbaren Ereignisse jenen Tages – die Versammlung der Nachfolger Christi an einem Ort, als das Rauschen eines gewaltigen Windes wahrgenommen wurde und sich Feuerzungen auf die Anwesenden setzten. Ein weiteres dramatisches Wunder fand statt, als diese Menschen, vom Geist Gottes jetzt erfüllt, in den Sprachen der in Jerusalem versammelten Juden zu sprechen begannen, damit diese sie verstehen konnten.

Gelegentlich gerät der Tag selbst, an dem diese Ereignisse stattfanden, in Vergessenheit – Pfingsten (Apostelgeschichte 2,1), das eines der Feste war, die Gott viele Jahrhunderte zuvor seinem Volk Israel zu halten geboten hatte (3. Mose 23). Bei der Verkündigung dieser Feste hatte Gott gesagt: „Dies sind die Feste des Herrn, die ihr ausrufen sollt als heilige Versammlungen; dies sind meine Feste ... die ihr ausrufen sollt als heilige Versammlungen an ihren Tagen“ (Vers 2, 4). Gott sagte seinem Volk, daß die Feste „eine ewige Ordnung“ sind, auch bei den „Nachkommen“ der Israeliten (Vers 14, 21, 31 und 41).

Die Evangelien zeigen uns, daß Jesus die gleichen Feste hielt (Matthäus 26,17-19; Johannes 7,10-14. 37-38). Sowohl die Apostelgeschichte als auch die Paulusbriefe berichten, daß die Apostel diese Feste in den Jahrzehnten nach dem Tode Christi hielten. Die meisten Kirchen vertreten jedoch die Auffassung, daß diese Feste „ans Kreuz genagelt wurden“, d. h., daß sie durch den Tod Jesu Christi annulliert wurden. Doch der unverkennbare Bericht der Bibel ist, daß die frühe Kirche sie nach wie vor hielt, aber mit einem tieferen Verständnis ihrer geistlichen Bedeutung.

Der Apostel Paulus legte der Gemeinde zu Korinth nahe – einer gemischten Gruppe von Heiden- und Judenchristen –, eines dieser von Gott gegebenen Feste zu halten: „Darum laßt uns das Fest feiern nicht im alten Sauerteig, auch nicht im Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern im ungesäuerten Teig der Lauterkeit und Wahrheit“ (1. Korinther 5,8). Welches religiöse Fest meinte Paulus? Freilich war es das Fest der Ungesäuerten Brote. Er erklärte ihnen auch die Bedeutung des Passahs (Vers 7) und gab ihnen Anweisungen darüber, wie man diese Zeremonie in der richtigen Weise begehen soll (1. Korinther 11,23-28).

Da Jesus, die Apostel und die ersten Christen diese Feste hielten und sie eine tiefe geistliche Bedeutung haben, ist es schon merkwürdig, daß die heutigen Kirchen sie weitgehend ignorieren, zumal Paulus die Feste in einen direkten Bezug zu Jesus und seinem Opfertod setzt (1. Korinther 5,7).

Die Evangelien und die Apostelgeschichte sind gleichermaßen eindeutig in dem Bericht, daß Christus, die Apostel und die ersten Christen den wöchentlichen Ruhetag von Freitagabend bis Samstagabend als siebten Tag der Woche hielten (Markus 6,2; Lukas 4,16. 31; 13,10; Apostelgeschichte 13,14-44; 18,4). Jesus nannte sich sogar den „Herrn über den Sabbat“ (Markus 2,28).

Im Gegensatz zur Lehre derjenigen, die meinen, Paulus hätte den Sabbat verworfen, war es auch seine Gewohnheit, jeden Sabbat in die Synagoge zu gehen und dort die Gelegenheit zu nutzen, über Jesus Christus zu predigen (Apostelgeschichte 17,1-3). Der wöchentliche Ruhetag ist ein weiteres der Feste Gottes. Eigentlich steht er an erster Stelle in der Auflistung der biblischen Feste (3. Mose 23,1-4) und ist Teil der Zehn Gebote (2. Mose 20,8-11; 5. Mose 5,12-15). Der Sabbat wurde jedoch lange vor Sinai geschaffen (1. Mose 2,2-3), und dessen Einhaltung wurde vor der Verkündung der Zehn Gebote geboten (2. Mose 16,23-30).

Wie bei den anderen Festen Gottes wird auch der Sabbat von der überwiegenden Mehrheit der heutigen Kirchen ignoriert. Statt Gottes Sabbat halten die meisten Kirchen den ersten Tag der Woche – Sonntag –, der nirgends in der Bibel als Tag der Anbetung vorgeschrieben wird. Wenn wir schon einen Tag in der Woche als Tag der Ruhe und Anbetung Gottes halten wollen, sollte es dann nicht der gleiche Tag sein, den Jesus Christus und die Apostel hielten?

Wir stellen auch andere Unterschiede in der Lehre fest. Viele Kirchen lehren, daß der Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes nicht mehr notwendig ist, daß Christus das Gesetz für uns hielt oder daß es bei seinem Tod „ans Kreuz genagelt“ wurde. Diese Ideen widersprechen Christi eigenen Worten (Matthäus 4,4; 5,17-19) und der Lehre und Handlungsweise der Apostel (Apostelgeschichte 24,14; Römer 7,12-22; 1. Korinther 7,19; 2. Timotheus 3,15-17).

Dem Beispiel Christi folgend verkündeten die Apostel kraftvoll die Rückkehr Jesu Christi zur Erde, um das Reich Gottes aufzurichten (Lukas 4,43; 8,1; 21,27. 31; Apostelgeschichte 1,3; 8,12; 14,22; 19,8; 28,23. 31). Aber Paulus mußte schon zu seinen Lebzeiten vor denjenigen warnen, die ein anderes Evangelium predigten (Galater 1,6). Auch heute gibt es viel Verwirrung über den Inhalt des Evangeliums. Die meisten sehen es als Botschaft über Christi Geburt, Leben und Tod, jedoch predigen sie nicht das Evangelium vom Reich Gottes, das Jesus selbst predigte (Markus 1,14-15).

Ein weiteres Beispiel ist die Tatsache, daß Jesus und die Apostel nie lehrten, die Gerechten würden beim Tod in den Himmel fahren (Johannes 3,13; Apostelgeschichte 2,29. 34). Sie verstanden, daß der Mensch keine unsterbliche Seele hat (Hesekiel 18,4. 20; Matthäus 10,28). Darüber hinaus werden nirgends in der Bibel die beliebten religiösen Feiertage unserer Zeit wie Weihnachten, Ostern und die Fastenzeit erwähnt, geschweige denn geboten. Jesus, die Apostel und die ersten Christen kannten diese Bräuche nicht.

Damit weisen wir auf einige der Hauptunterschiede zwischen dem heutigen Christentum und dem Christentum zur Zeit Jesu und der Apostel des Neuen Testamentes hin. Wollen wir zu den wahren Nachfolgern Jesu gezählt werden, sind wir deshalb gut beraten, unseren eigenen Glauben zu untersuchen, um festzustellen, ob er von den nichtbiblischen Lehren des heutigen Christentums beeinflußt worden ist!

– Gute Nachrichten Mai-Juni 2004 PDF-Datei dieser Ausgabe

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