Eine kurze Geschichte des Tempelbergs

Der Felsendom in Jerusalem © dtamez/Pixabay
Nach jüdischer Tradition ist der Tempelberg der Berg Morija, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte. Die Geschichte des Tempelbergs setzt sich aber weiter fort bis in unsere Zeit hinein.

Jüdischer Tradition zufolge ist der Tempelberg der Gipfel des Berges Morija, wo Abraham seinen Sohn Isaak opfern sollte. Nachgewiesen ist der Tempelberg als Standort des Tempels, den König Davids Sohn Salomo baute, und des restaurierten Tempels, den König Herodes verschönerte. Die Geschichte des Tempelbergs setzt sich aber weiter fort bis in unsere Zeit hinein.

Von Scott Ashley

ca. 1005/4 v. Chr.: Der israelitische König David erobert die jebusitische Stadt Jebus, die seit der Zeit Abrahams auch „Salem“ genannt wird, und macht sie zur Hauptstadt des vereinigten Königreichs von Israel und Juda (1. Chronik 11,4-8). Sie führt verschiedene Namen wie „Jerusalem“, „Zion“ und „Davidsstadt“. David will Gott einen Tempel bauen, darf aber nicht, weil er ein Krieger ist. Sein Sohn Salomo wird aber den Tempel errichten (1. Chronik 22,1-16).

Durch einen Engel und einen Propheten zeigt Gott David die Stelle, wo er einen Altar für den Tempel errichten soll, nämlich an der Tenne Araunas, des Jebusiters, auf dem Berg Morija. Es wird vermutet, dass Abraham an dieser Stelle den Widder fand, den er an Isaaks Statt opfern sollte (siehe 2. Samuel 24,16-24; 2. Chronik 3,1; 1. Mose 22).

ca. 967 v. Chr.: Davids Sohn und Nachfolger Salomo fängt mit dem Bau des Tempels an. Die Arbeiter und das Baumaterial stammen aus Tyrus, dessen König Hiram zuvor David einen Palast in Jerusalem gebaut hatte (2. Chronik 2,3–3,1).

ca. 960 v. Chr.: Salomo weiht den Tempel, der dann von der Herrlichkeit Gottes erfüllt wird (2. Chronik 5,1-14). Salomo wird aber Gott untreu und betet fremde Götter an. Nach seinem Tod um 931 oder 930 v. Chr. wird sein Reich in die zwei Nationen Israel und Juda gespalten. Israel liegt im Norden, Juda im Süden. Jerusalem liegt im nördlichen Teil Judas. Im Laufe der Jahrhunderte wird der Tempel gelegentlich zur Ehre Gottes verwendet, aber man lässt ihn oft verkommen. Er wird zwar manchmal gereinigt und erneuert, aber auch für die Anbetung fremder Götter genutzt. Sein Zustand und seine Verwendung hängen meistens davon ab, inwieweit der jeweilige König von Juda Gottes Gebote befolgt.

701 v. Chr.: Zwanzig Jahre nach der Verschleppung der Bewohner des Nordreichs nach Assyrien marschiert der assyrische König Sanherib nach Juda ein und belagert Jerusalem. Durch ein Wunder werden die Stadt und König Hiskia gerettet. Hiskia hat eine unterirdische Wasserleitung anlegen lassen, durch die er die Wasserversorgung der Stadt während der Belagerung sichert. Diese Wasserleitung kann man heute noch besichtigen. Sie ist ein sensationeller archäologischer Fund, der die biblische Geschichte bestätigt.

ca. 700 v. Chr.: Obwohl wir keine schriftlichen Aufzeichnungen dafür kennen, liefert uns die Archäologie Hinweise darauf, dass der Tempelberg mehrmals ausgebaut wurde, und zwar vermutlich während der Zeiten der religiösen Erneuerung, wie zur Zeit Hiskias (ca. 729 bis 686 v. Chr.) und der kurzlebigen jüdischen Unabhängigkeit um 165 und 164 v. Chr.

ca. 587 v. Chr.: Der babylonische König Nebukadnezar überfällt das Reich Juda zum dritten Mal. Jerusalem und der vierhundert Jahre alte Tempel Salomos werden verbrannt. Die Bundeslade, die im Allerheiligsten im Tempel aufbewahrt wurde, verschwindet aus der Geschichte. Jerusalem liegt jahrzehntelang in Schutt und Asche, bis Juden aus dem Exil zurückkehren, wie in den Büchern Esra und Nehemia beschrieben. Archäologische Ausgrabungen bestätigen die Vernichtung der Stadt durch die Babylonier und den Wiederaufbau der Stadtmauer, der in Nehemia 2,11-4,23 beschrieben wird.

ca. 536/5 v. Chr.: Der Bau eines neuen Tempels beginnt, wie in Esra 3, Verse 8-13 beschrieben. Nach einigen Unterbrechungen wird der neue Tempel 515 v. Chr. geweiht (Esra 5,1–6,22).

168/7 v. Chr.: Der syrische Herrscher Antiochos Epiphanes will die jüdische Religion auslöschen. Er lässt ein heidnisches Standbild (vielleicht eine Darstellung von ihm selbst) im Tempel aufstellen und entweiht den Altar dadurch, dass er darauf Schweine schlachtet. Das ist ein Vorläufer des „Gräuels der Verwüstung“, den Jesus Christus für die Endzeit angekündigt hat (Matthäus 24,15).

165/4 v. Chr.: Die Juden reinigen den Tempel und weihen ihn und den Altar erneut. Auch heute noch gedenken Juden dieses Ereignisses mit dem Chanukkafest. Etwas später wird das Plateau, auf dem der Tempel steht, ausgebaut.

ca. 20-18 v. Chr.: Herodes der Große, König über Jerusalem und Judäa, nimmt einen groß angelegten Ausbau des Tempelberges in Angriff und will den Tempel durch einen neuen, viel größeren ersetzen. Der eindrucksvolle Bau wird in den Evangelien erwähnt. In Johannes 2, Vers 20 liest man, dass man seit 46 Jahren daran arbeitet.

67 n. Chr.: Der neue Tempel ist endlich fertig und der Hass, den die Juden für die Römer hegen, kocht über. Aufstände brechen in Judäa und Galiläa aus, werden aber mit erbarmungsloser Gewalt von der römischen Militärmacht niedergeschlagen.

70 n. Chr.: Römische Legionen umzingeln Jerusalem und belagern die Stadt. Sie durchbrechen die Verteidigungsanlagen, schleifen die Festung Antonia an der nördlichen Seite der Tempelanlage und verwandeln den Tempelberg in ein Schlachtfeld. Der Tempel wird verbrannt. Es bleibt kein Stein mehr auf dem anderen, wie von Jesus prophezeit (Matthäus 24,1-2). Das Plateau auf dem Tempelberg bleibt bestehen, liegt aber in Trümmern.

132-135 n. Chr.: Eine zweite Rebellion der Juden gegen die Römer bricht aus und geht in die Geschichte als der Bar-Kochba-Aufstand ein. Wieder ist das Ergebnis eine vollständige Niederlage der Juden. Was noch von Jerusalem übrig geblieben war, wird zerstört, und kein Jude darf mehr dort wohnen. An der Stelle, wo Jerusalem gestanden hatte, baut der römische Kaiser Hadrian eine römische Stadt, Aelia Capitolina. Auf dem verlassenen Tempelberg baut er dem Jupiter einen Tempel.

ca. 325 n. Chr.: Der römische Kaiser Konstantin der Große, der später die vorherrschende, aber eine abgewandelte Form des Christentums fördert, lässt den Jupitertempel am Tempelberg abreißen. Mosaikböden und andere archäologische Funde lassen darauf schließen, dass irgendwann eine byzantinische Kirche am Tempelberg entstand.

ca. 692 n. Chr.: Nach der Eroberung des Heiligen Landes und Jerusalems durch Muslime wird der Felsendom auf dem Tempelberg errichtet. Der Felsendom wird nach dem Muster byzantinischer Kirchen und vor allem der nahegelegenen Grabeskirche gebaut. Er ist keine Moschee, sondern ein Wallfahrtsziel, das über dem nackten Gestein steht, von dem aus Mohammed in den Himmel aufgestiegen sein soll. Manche Archäologen und Altertumsforscher glauben, dass er auch die Stelle markiert, wo sich das Allerheiligste der jüdischen Tempel befand.

ca. 705 n. Chr.: Die erste Al-Aksa-Moschee wird auf dem Tempelberg, etwas südlich vom Felsendom, gebaut. Sie und einige ihrer Nachfolgerinnen werden durch Erdbeben zerstört. Sie wird in den Jahren 754, 780 und 1035 wiederaufgebaut.

1099 n. Chr.: Kreuzritter erobern Jerusalem und gestalten die Al-Aksa-Moschee zum Palast und den Felsendom zur Kirche um.

1187 n. Chr.: Der Sultan Saladin bringt Jerusalem wieder unter islamische Herrschaft und führt die Al-Aksa-Moschee und den Felsendom abermals ihrer ursprünglichen Bestimmung zu. Jerusalem bleibt noch 730 Jahre unter islamischer Kontrolle und in diesen Jahrhunderten wird Christen und Juden der Zutritt zum Tempelberg meistens verwehrt. Während des Ersten Weltkrieges nehmen die Briten Jerusalem ein.

1948-49 n. Chr.: Am 15. Mai 1948 verkündet Israel seine Staatsgründung. Ein monatelanger Krieg bricht aus, in dessen Verlauf Jordaniens Arabische Legion weite Teile Jerusalems erobert. Die Stadt wird in einen jüdischen und einen arabischen Sektor geteilt.

1967 n. Chr.: Im Sechstagekrieg erobern israelische Streitkräfte Ost-Jerusalem. Um die islamische Welt nicht weiter zu provozieren, lassen sie den Tempelberg weiterhin von einer jordanischen Behörde unter der Bedingung verwalten, dass auch Juden und Christen Zugang zu ihm gewährt wird. Bald beginnen archäologische Ausgrabungen an der südlichen und der westlichen Seite des Tempelberges. Im Laufe der kommenden Jahrzehnte fördern sie aufschlussreiche Hinweise auf die Geschichte der Stadt zutage und beweisen eindeutig, dass sie früher von Juden besiedelt und auch jüdisch geprägt war.

– Gute Nachrichten Juli-August 2018 PDF-Datei dieser Ausgabe

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