Familientisch oder Stehimbiß?

Familientisch oder Stehimbiß? © Cathy Yeulet/123rf.com
Lohnt es sich überhaupt noch, entgegen aller modernen gesellschaftlichen Trends an der gemeinsamen Familienmahlzeit festzuhalten?

Hier sind einige Gründe, warum und wie man Familienmahlzeiten pflegen sollte.

Wir leben unbestritten in einer Zeit, in der Hektik, Eile und die Angst, etwas zu verpassen, dem zeitintensiven Genießen, der Ruhe oder der Geduld den Rang abgelaufen haben. Bistros, Imbisse, Stehcafés passen sich unserem rasanten Lebensstil problemlos an. Das Essen dient oft nur noch der reinen Befriedigung des Hungergefühls.

Gemeinsames Essen kommt in vielen Familien von heute fast nur noch am Wochenende vor. Mit der Integration der Frauen in die Arbeitswelt löst sich der Familientisch mehr und mehr auf. Aber auch die frühe Loslösung von der Familie und die verstärkte Orientierung in altershomogenen Gruppen bringt neue und selbstgewählte Tischgemeinschaften hervor.

Lohnt es sich überhaupt noch, entgegen aller modernen aller modernen gesellschaftlichen Trends an der gemeinsamen Familienmahlzeit festzuhalten?

Schon aus Ernährungsgründen allein ist es von Vorteil, an der gemeinsamen Familienmahlzeit festzuhalten. Wenn Kinder sich selbst überlassen sind, um etwas zu essen zu finden, werden sie sich wahrscheinlich zum großen Teil von Süßigkeiten, Kartoffelchips und Tiefkühlpizza ernähren. Eltern können die Chancen verbessern, daß ihre Kinder gute Eßgewohnheiten entwickeln, indem sie ihnen eine ausgewogenen Kost zu den regelmäßigen Mahlzeiten bieten.

Das Wichtigste ist aber vielleicht, daß die gemeinsame Familienmahlzeit den Familienmitgliedern nach der Schule oder Arbeit die Möglichkeit des gegenseitigen Austausches gibt. Kinder lieben diese Mahlzeiten, wenn alle versammelt sind, und es genug Gelegenheit zum Reden und Zuhören gibt. „Zusammen als Familie zu essen, kann Ihren Kindern helfen, ein Gefühl der Sicherheit und einen Sinn dafür zu entwickeln, wer sie und was ihre Wurzeln sind“, sagt Margaret Mackenzie, eine Anthropologin, die sich auf die Essenskultur des Menschen spezialisiert hat. „Die Familienmahlzeit ist viel mehr als nur das Essen auf dem Tisch. Es werden warme, glückliche Erinnerungen geschaffen, deren Bedeutung Ihre Kinder ihr ganzes Leben lang behalten werden.“

Streit und Regeln aus der „schwarzen Pädagogik“ haben am gemeinsamen Tisch keinen Platz. Dr. Clifton Saper, ein Familienpsychologe in Evanston, Illinois, fügt hinzu: „Manchmal konzentriert man sich nur auf die Manieren und darauf, daß das Gemüse gegessen wird. Wenn Eltern ihre Aufmerksamkeit statt dessen auf eine offene Kommunikation setzen und eine entspannte und gemütliche Atmosphäre schaffen, wird die Mahlzeit dabei helfen, die Familienbande zu stärken.“

Hier sind einige Vorschläge, wie die gefährdete Tradition wiederhergestellt werden kann und die Mahlzeiten zu einer positiven Familienerfahrung gemacht werden können.

Gemeinsame Vorbereitung

Für viele ist es ein besonderes Erlebnis, sich vorab auf das Essen zu freuen. So können Kinder und Erwachsene z. B. gemeinsam so oft wie möglich miteinander einkaufen bzw. an der Speisevorbereitung mitarbeiten. Die ganze Familie kann zusammen in der Küche sein, eine Person deckt den Tisch, eine andere rührt in der Pfanne und jemand anders macht den Salat, und hinterher kann jeder beim Abwaschen und Aufräumen helfen. Dadurch wird nicht nur die Last von den Schultern der Mutter genommen, sondern es entsteht auch eine gute Gelegenheit zur Kommunikation und zur Unterweisung der Kinder im Kochen.

Positives, gemeinsames Erlebnis

Die Familienmahlzeit ist keine Zeit für Maßregelungen, Streitereien, Kritik oder schlechte Laune. Die Unterhaltung sollte leicht, fröhlich und unbeschwert sein. Beziehen Sie die ganze Familie in die Unterhaltung mit ein. Eltern und Kinder sollten von ihrem Tag erzählen können, Familienvorhaben für das Wochenende können geplant und Absprachen getroffen werden. Durch solche Gespräche verhindert man, daß die Familie sich auseinanderlebt.

Für manche Familien bedeutet jedoch das Abendessen, einen Teller mit Essen zu nehmen und sich des Gesprächs zu entziehen, indem man sich vor den Fernseher setzt. „Die meisten Menschen sind nicht allzu gut darin, ihre Fähigkeiten des Zuhörens und Redens zu entwickeln“, stellt Dr. MacKenzie fest. „Sie verstehen oft nicht, was wirklich gesagt wird, und hören nur, was sie hören wollen. Unter diesen Bedingungen dient das Fernsehen als Zuflucht.“

Das Ziel der gemeinsamen Mahlzeit ist es aber, das Essen als Familienakt zu gestalten. Setzen Sie sich zum Ziel, die meisten Mahlzeiten am Eßtisch einzunehmen, ohne das Fernsehen im Hintergrund.

Familientraditionen fördern

Durch Familientraditionen entwickeln Kinder ein Gefühl der Einheit und Stabilität für die Gegenwart und glückliche Erinnerungen für den Rest ihres Lebens. Traditionen können einfach sein, wie z. B. das Frühstücksei am Wochenende oder der Bananensplit als Nachtisch am Freitagabend.

Der Lebensstil mag sich in den letzten Jahren vielleicht sehr geändert haben, die Bedeutung der Familienmahlzeit ist jedoch bestehen geblieben. Machen Sie die gemeinsamen Mahlzeiten zur Familientradition! Schaffen Sie Ihren Kindern freudige Erinnerungen an Ihre Familienmahlzeiten, damit sie diese wichtige Tradition später auch an ihre eigenen Kinder weitergeben können.

– Gute Nachrichten Juli-August 2000 PDF-Datei dieser Ausgabe

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