Liebe und Ehe

Liebe und Ehe © Oziel Gomez/Unsplash
Eheberater Gary Smalley beantwortet Fragen zum ehelichen Verhältnis und beschreibt, wie Ehepaare zur Festigung ihrer ehelichen Beziehung beitragen können.

GN-Interview mit Gary Smalley zum Thema Liebe und Ehe

Gute Nachrichten: Damit sich unsere Leser ein Bild von Ihnen und Ihrer Arbeit machen können, wollen wir zunächst fragen, wie Ihre Fernsehserie Hidden Keys to Loving Relationships [„Verborgene Schlüssel zu einer liebevollen Beziehung“] zustande kam.

Gary Smalley: Es begann im Jahre 1988. Auf einem Flugzeugträger wurde die Wirkung unserer Videos getestet. Während der Heimreise nach einer sechsmonatigen Fahrt mußten viele der fünftausend Männer, die auf dem Schiff Dienst taten, alle achtzehn Videos sehen. Nach der Ankunft in der Heimat machten nur elf der Matrosen eine Ehescheidung durch, verglichen mit durchschnittlich sechzig nach ähnlichen Fahrten.

GN: Wie sind Sie dazu gekommen, sich für den Themenkreis Ehe und Familie zu interessieren?

GS: Zwischen meinen Eltern gab es immer wieder Streit. Mein Vater war ein zorniger Mensch. Ich ging davon aus, daß ähnliche Zustände in allen Familien herrschen, daß sich alle Eheleute mit ihrer Partnerbeziehung schwertun. Ich wußte, daß viele Ehen in Scheidung enden und wollte unbedingt verhindern, daß es auch mir so ergeht. Ich nahm mir also vor, festzustellen, welches die Voraussetzungen für eine dauerhafte Ehe sind.

Damals war ich noch Junggeselle. Später, nachdem ich selbst verheiratet war, waren die ersten fünf Jahre für meine Frau Norma sehr frustrierend. Viele Streitgespräche wurden ergebnislos abgebrochen. Unsere Liebe zueinander verlor an Intensität. Deshalb beschloß ich, mich bei Frauen und Eheberatern zu erkundigen und einschlägige Bücher zu lesen. Allmählich lernte ich, daß Frauen ein „natürliches“ Ehehandbuch besitzen. Sie konnten mir erklären, was zu einer guten Beziehung gehört und wie man sie herbeiführen kann.

Ich lernte Schritt für Schritt. Recht bald hatte ich Gelegenheit, einen Kursus über Ehevorbereitung für 500 junge Erwachsene zu leiten. Ich behandelte einmal in der Woche abwechselnd zehn Punkte für den angehenden Ehemann und zehn

Punkte für die angehende Ehefrau. Diesen Kursus wiederholte ich mehrmals über einen Zeitraum von drei Jahren – und zwar mit denselben Teilnehmern! Erstaunlicherweise blieb ihr Interesse erhalten, und das veranlaßte mich, aus den Vorträgen eine Broschüre zu machen. Man könnte in dieser Broschüre den Keim unserer Videoserie sehen.

Aus der Broschüre und den Vorträgen wurden später meine ersten beiden Bücher. Ich forschte immer weiter und fragte Ehepartner, was ihnen fehlte, was für sie funktionierte und was ihnen nichts brachte. Vor drei Jahren entdeckte ich Dr. Howard Markman und Dr. Scott Stanley, Professoren an der Universität Denver. Ich fand ihre Ansichten zu Ehe und Familie wissenschaftlich und professionell.

Ich schätze, daß die beiden Herren mehr über Scheidungsverhinderung wissen als jeder andere Experte, der heute am Leben ist. Wenn ein verlobtes Paar ihnen 32 bestimmte Fragen beantwortet, sind sie in der Lage, mit 90prozentiger Sicherheit vorauszusagen, ob eine Ehe zwischen den beiden in einer Scheidung enden wird. Sie haben vier Hauptgründe für Ehescheidungen ausgemacht, und alle haben mit Zorn und seinen Ursachen zu tun.

Die Arbeit von Markman und Stanley wurde zum Kristallisationskern für mein neuestes Buch. Die Ergebnisse ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit bestätigten vieles, was ich schon durch meine Gespräche in Erfahrung gebracht hatte. Heute kann ich mit großer Sicherheit über die Faktoren sprechen, die eine Ehe aufbauen oder niederreißen. Die größte Gefahr für eine Ehe geht von aufgestautem Zorn aus.

GN: Sprechen wir dann mal über diesen aufgestauten Zorn. Wie kommt es dazu? Ist er das Ergebnis geringfügiger Meinungsverschiedenheiten, die nie richtig ausgetragen wurden? Oder müssen größere Ärgernisse dagewesen sein?

GS: Kleine Ärgernisse, große Ärgernisse oder kleine und große Ärgernisse zusammen: Das alles können Ursachen von aufgestautem Zorn sein. Objektiv unbedeutende Konflikte können wie ein Krebsgeschwür in uns wuchern, wenn sie nicht gleich gelöst werden. Zuerst werden Gefühle verletzt, dann folgen Furcht und Frustration.

Ständige Frustration, Gekränktsein und Unsicherheit fressen wie der Krebs. Manche Menschen steigern sich regelrecht hinein. Sie entscheiden sich für den Zorn. Der Zorn ist das Ergebnis einer Entscheidung. Jeder muß viele Entscheidungen treffen, doch neigt der Mensch als erstes dazu, sich im Falle von Ärger für den Zorn zu entscheiden.

GN: Wie erklären Sie diese Neigung? Würden Sie bitte diesen Aspekt einer Beziehung näher erläutern?

GS: Diese Neigung ist einfach ein Zug der menschlichen Natur, den wir alle von Natur aus mitbringen. In einer typischen Ehe braucht dieser Zorn zwischen fünf und sieben Jahren, um so weit zu wachsen, daß er die Liebe erstickt. Liebe und Zorn vertragen sich nicht. Und, wie wir schon konstatiert haben, der Zorn entsteht aus vielen kleinen Ärgernissen, die zu Frustrationen, Kränkungen und Furcht führen. Wenn wir diese Ärgernisse nicht im Keim ersticken, werden sie die Liebe ersticken, die es am Anfang der Ehe gab. Wie Fettablagerungen in den Arterien ist Zorn sehr schädlich für das Herz. Er läßt die Liebe erkalten. Eine Scheidung ist oft die Folge.

Groll ist schlecht, aber wütende Bitterkeit ist noch schlimmer. Es muß nicht unbedingt der Ehepartner der unmittelbare Anlaß des Zornes sein. Häufig ist man eher wütend auf den Chef, läßt aber seine Wut an dem Partner aus. Die Liebe zum Ehepartner kann durch Ärger mit einem Dritten Schaden nehmen.

Auf meinen Vortragsreisen schlage ich also Alarm: „Vorsicht vor dem Zorn! Vorsicht vor dem Zorn!“ Werden wir damit nicht fertig, werden wir die Folgen tragen müssen. Es gibt so viel Zorn am Arbeitsplatz, so viel Zorn in anderen Lebensbereichen. Mir geht es darum, ihn ans Tageslicht zu bringen. Ich fordere die Leute auf, ihren Zorn zuzugeben und loszuwerden. Denn jeder ist für seinen Zorn verantwortlich. Es nützt nichts, anderen die Schuld daran zu geben. Vielmehr müssen wir vergeben lernen.

GN: Unter verheirateten Menschen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß Mann und Frau eine unterschiedliche Denkweise haben. Würden Sie unseren Lesern bitte die wichtigsten Punkte nennen, die Ehemann und Ehefrau Ihrer Meinung nach jeweils berücksichtigen sollten?

GS: Mir sind vier Punkte aufgefallen, die jeder Partner in einer Ehe berücksichtigen sollte. Erstens: Die Frau muß die Sicherheit haben, daß sie ihrem Mann überaus viel bedeutet. Wenn er ihr öfter seine Liebe beteuert und ihr gelegentlich Blumen und Karten kauft, kommt er diesem Sicherheitsbedürfnis entgegen.

Sollte er zum Beispiel sagen „Ich habe gerade an dich gedacht, weil ich mich dir fürs Leben verpflichtet habe. Was uns auch immer passieren soll, ich stehe zu dir. Ich liebe dich, ich schätze dich über alles, ich widme dir mein Leben“, wird seine Frau aufblühen wie eine Blume, die von der Sonne geküßt wird. Solche Bestätigung braucht sie.

Zweitens: Die Frau braucht bedeutungsvolle Kommunikation. In der Praxis läuft das hauptsächlich auf gutes Zuhören hinaus. Wenn der Mann ein offenes Ohr für die Wünsche und Bedürfnisse seiner Frau hat, wird sie ermuntert, sich auch in Zukunft zu öffnen.

Der Mann sollte nicht meinen, daß er die Probleme seiner Frau unbedingt lösen muß. Viel wichtiger ist es, daß er sich bemüht, seine Partnerin zu verstehen und die ihr eigenen Bedürfnisse als Ausdruck ihrer einzigartigen Persönlichkeit anerkennt. Solches Zuhören ist wie Wasser für eine durstige Kehle.

Drittens: Die Ehepartner sollten gemeinsame Aktivitäten unternehmen: spazierengehen, in Urlaub fahren, einen anregenden Abend außer Haus verbringen, eine Spazierfahrt an einem Sonntagnachmittag gemeinsam genießen. Gemeinsame Aktivitäten, die beiden Partnern Freude bereiten, stärken seelische Bande. Gemeinsames Lachen ist ebenfalls wichtig. Allein die Beachtung dieses dritten Punktes kann eine öde Ehe in kürzester Zeit zum Blühen bringen. Bei Aktivitäten, die zur Freude gedacht sind, sollte man grundsätzlich keine Streitgespräche führen. Das paßt einfach nicht zusammen. Wenn meine Frau und ich etwas gemeinsam unternehmen, lassen wir das Kriegsbeil ganz und gar zu Hause.

Viertens ist es für eine Frau wichtig, daß man sie häufig streichelt, küßt und umarmt. Auch Augenkontakt ist ein sinnvolles Mittel, Liebe zu signalisieren. Die Sexualität selbst spiegelt nur die Sicherheit wider, die durch solche Streicheleinheiten und überhaupt durch die Beachtung dieser vier Punkte geschaffen wird.

Bei Männern ist die Lage anders. Sie haben ein starkes Bedürfnis nach Ruhe und Sicherheit in einer Beziehung. Obwohl sie eher als Frauen dazu neigen, Streit zu provozieren, sind Männer in der Ehe meistens gegen jede Ruhestörung sehr empfindlich. Sie fühlen sich davon bedroht und ziehen sich deswegen häufig zurück, wenn es mal zu einem Streit kommt.

Ferner haben viele Männer ein Bedürfnis nach Verhaltensregeln, und das führt dazu, daß sie häufig Regeln für ihre Ehe aufstellen. Wenn noch keine Regeln vereinbart wurden und ein Streit mit der Ehefrau ausbricht, wird ein Mann dazu neigen, sich aufzuregen oder auf stumm zu schalten, gemein zu werden oder sich zurückzuziehen. Ist das der Frau nicht bewußt, kann sie viel Schaden in ihrer Ehe anrichten, indem sie durch Unachtsamkeit ihren Mann in Rage bringt.

Männer wollen klare Regeln und haben ein Bedürfnis nach Sicherheit. Die Frau soll sich deswegen fragen, was sie tun kann, um ihrem Mann diese Sicherheit zu geben. Nach meiner Erfahrung ist es für beide Partner in einer Ehe sehr vorteilhaft, wenn sie gemeinsam Regeln für die Lösung von Streitigkeiten entwickeln. Denn leider haben die meisten Paare gar keine Ahnung, wie man eine Streitfrage sachlich ausdiskutiert.

In den meisten Ehen hat die Frau ein besseres Gespür als der Mann für den augenblicklichen Zustand ihrer Beziehung. Frauen, welche die gleiche Fähigkeit bei ihrem Mann voraussetzen, sind entsprechend verletzt, wenn das Verhalten ihres Mannes eine andere Sprache spricht. Es fällt ihnen dann leicht, dem Mann Böswilligkeit vorzuwerfen, wenn lediglich Dumpfheit im Spiel ist. Umgekehrt ist es sehr wichtig, daß sich der Mann in der Beziehung sicher fühlt. Er will verstanden werden und sieht es nicht gern, wenn die Frau allerlei Unwahres über ihn glaubt. Wir Männer wollen, daß unsere Frauen uns unterstützen, uns zuhören und uns hochschätzen.

GN: Herr Smalley, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

Wer ist Gary Smalley?

Gary Smalley schreibt Bücher und hält Vorträge über Ehe und Familie. Er ist Verfasser bzw. Mitverfasser von 14 Büchern und hat auch mehrere Filme und Videos produziert. Insgesamt haben seine Bücher eine Auflage von vier Millionen erreicht und sind mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden. Im Laufe seiner über dreißigjährigen Tätigkeit als Forscher, Lehrer und Berater hat Dr. Smalley Tausende von Menschen befragt und beraten, um Wege zur Stärkung ehelicher Beziehungen zu finden.

Seine Bücher Entdecke deinen Mann bzw. Entdecke deine Frau sind in deutscher Sprache erhältlich und sollen Ehepaaren helfen, ihre Beziehung zueinander durch gegenseitiges Verständnis zu vertiefen. Dr. Smalley ist seit 39 Jahren verheiratet und wohnt mit seiner Frau Norma in der Kleinstadt Branson im US-Bundesstaat Missouri.

– Gute Nachrichten Mai-Juni 2005 PDF-Datei dieser Ausgabe

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