Supermacht Europa in spe: Vor 2500 Jahren angekündigt?

Supermacht Europa in spe: Vor 2500 Jahren angekündigt? © Shaun Venish/Wikimedia
Die Europäische Union, jetzt schon das größte Handelssystem der Welt, strebt eine engere militärische und nachrichtendienstliche Zusammenarbeit innerhalb der EU an.

Langsam aber sicher entsteht in Europa ein wirtschaftlicher Koloß, der zunehmend auch politischen Einfluß ausüben will. Wohin führt die Entwicklung in Europa? Die Antwort wurde vor mehr als 2500 Jahren vorausgesagt!

Von Melvin Rhodes und Paul Kieffer

Mehr als zwölf Jahrhunderte sind vergangen, seitdem die Namen des Papstes und Karl des Großen miteinander verknüpft waren. Zu Weihnachten im Jahr 800 n. Chr. kniete Karl der Große in Rom betend vor dem Papst, als Leo III. ihm eine Krone aufsetzte. Dabei sollen die versammelten Gläubigen ausgerufen haben: „Dem mächtigen und friedvollen Kaiser Carolus Magnus, von Gott gekrönt, seien Leben und Sieg!“

Als erster Kaiser des Westens herrschte Karl der Große über ein wiederbelebtes Römisches Reich. Später kam die Bezeichnung heilig noch hinzu. Abgesehen von kurzen Unterbrechungen bestand das Heilige Römische Reich bis in die Zeit Napoleons. So gesehen trennen uns nur 200 Jahre von dem Römischen Reich.

In diesem Frühjahr lebte die Verbindung zwischen Karl dem Großen und dem Papst wieder auf, zumindest symbolisch. Am 24. März 2004 erhielt Johannes Paul II. den „Außerordentlichen Internationalen Karlspreis zu Aachen“, der zum ersten Mal verliehen wurde. Der Karlspreis, der als einer der bedeutendsten europäischen Ehrenpreise gilt, wurde gemäß der Begründung des Aachener Preisdirektoriums dem Papst wegen seines herausragenden Beitrags für den europäischen Integrationsprozeß überreicht. Johannes Paul II. wirkt sinngemäß im Geist von Karl dem Großen, der Europa einst einte.

Darüber hinaus hob das Aachener Preisdirektorium das besondere Bemühen des Papstes hervor, von Europa aus Einfluß auf die Gestaltung der Weltordnung zu nehmen. Wenn auch ungewollt, spiegelt die Wortwahl den Zeitgeist eines immer selbstbewußter auftretenden Europas wider. Nur wenige Tage vor der Preisverleihung in Rom veröffentlichte die britische Zeitschrift The Economist einen Beitrag über den wachsenden Abstand zwischen Europa und den USA. „Amerika ist von Mars, Europa von Venus“ lautete der Titel des Artikels in Anspielung auf ein Buch, in dem die Unterschiede zwischen Männern und Frauen beschrieben werden. Fazit des Economist-Beitrags: „In ganz Europa gibt es große und wachsende Unterstützung für eine Europäische Union, die zu einem starken Gegengewicht zu Amerika werden soll“ (20. März 2004, Seite 29).

Neue Lage für Europa nach dem Kalten Krieg

Rückblickend ist der Auftakt zum selbstbewußteren Auftreten Europas in der internationalen Politik wohl der Zusammenbruch der Sowjetunion mit dem Warschauer Pakt gewesen. Dieses historische Ereignis läutete eine Verschiebung der außenpolitischen Interessen Amerikas ein. Fortan waren die potentielle Supermacht China und der Nahe Osten mit seinen Erdölvorräten vordergründig.

Der bevorstehende US-Truppenabzug aus Europa, der Mitte August offiziell bestätigt wurde, ist die – längst überfällige, wie manche Europäer meinen – Konsequenz der neuen Lage nach dem Ende des Kalten Krieges. Daraus folgt aber auch, daß Europa nicht länger auf den Schutz Amerikas angewiesen ist. Freilich waren die Westeuropäer in der Vergangenheit, als die Bedrohung durch den kommunistischen Machtblock existierte, nicht mit allen außenpolitischen Entscheidungen Amerikas einverstanden, wie z. B. in Vietnam. Die Gemeinsamkeiten in Sicherheitsfragen überwogen damals jedoch und ließen keinen langanhaltenden Riß zwischen Europa und Amerika zu.

Mit dem Irak-Krieg ist die außenpolitische Kluft zwischen den beiden Kontinenten deutlich geworden. Wenige Tage nach den Anschlägen vom 11. März 2004 in Madrid meinte Romano Prodi in einem Interview mit einem US-Fernsehsender, Europa sei zwar entschlossen, den Terrorismus zu bekämpfen, der Krieg im Irak habe jedoch seiner Meinung nach nichts mit diesem Kampf zu tun.

Die Bomben in Madrid ließen Europa zusammenwachsen, das „neue“ Europa näherte sich wieder dem „alten“ Europa. „Aus Angst vor Isolierung“, so die Süddeutsche Zeitung am 24. März 2004, als Spanien und Polen Kompromißbereitschaft in bezug auf die EU-Verfassung signalisierten, „kehrten die Neueuropäer in den Schoß Europas zurück.“

In einer wenig beachteten Erklärung verpflichteten sich die EU-Verteidigungsminister am 17. Mai 2004 in Brüssel zur Interventionsfähigkeit weltweit bis 2010. Die 25 EU-Mitgliedsstaaten wollen künftig auf Krisen überall in der Welt reagieren können. In der Erklärung wurden u. a. humanitäre Einsätze sowie Friedens- und Entwaffnungsmissionen erwähnt. Nach dem ehrgeizigen Plan wollen die Europäer binnen fünf Tagen nach dem Eintreten einer Krise beschlußfähig sein, und nach weiteren fünf Tagen sollen die vorgesehenen Truppen eingesetzt werden.

Mit dieser Erklärung und der vorgesehenen Schaffung einer europäischen Wehrbehörde wird klar, daß weniger als fünfzehn Jahre nach dem Ende der Sowjetunion und des Ostblocks Europa nicht länger lediglich der „Juniorpartner“ der USA ist.

Fallbeispiel Euro

Als Beispiel für den zunehmenden Einfluß Europas sei die Gemeinschaftswährung Euro genannt. Als US-Notenbankchef Alan Greenspan am 2. Mai 1997 nach dem Erfolg des Euros gefragt wurde, prophezeite er: „Der Euro kommt natürlich, aber er wird nicht bleiben.“ In der Zeit unmittelbar vor der Einführung der Euro-Banknoten und -Münzen beriefen sich Gegner der Gemeinschaftswährung mit Vorliebe auf das Zitat Greenspans.

Im Sommer 1996 hatte der damalige stellvertretende US-Finanzminister Larry Summers gemeint, der Einfluß des Euros auf das weltweite Währungssystem würde zunächst nur minimal sein und sich erst nach und nach bemerkbar machen. Waren diese Vorhersagen nur Stimmungsmache zur Beruhigung von Anlegern in die US-Währung?

Anfänglich schienen die Euro-Skeptiker im Recht zu sein. Nach einem kurzen Höhenflug gegenüber dem US-Dollar bald nach Bekanntgabe der festen Wechselkurse stürzte der Wert des Euros auf ein monatelanges Tief. Langsam aber sicher stieg jedoch der Wert der Gemeinschaftswährung und ließ ihre Befürworter wie Altbundeskanzler Helmut Schmidt wie Hellseher erscheinen. Schmidt hatte im Mai 1998 die Möglichkeit gesehen, daß mit der Einführung des Euros der US-Dollar als Weltleitwährung zum ersten Mal seit Ende des Zweiten Weltkriegs einen ernsthaften Konkurrenten bekommt.

Selbst Alan Greenspan scheint seine Meinung zum Euro revidiert zu haben. In einer Rede am 30. November 2001 in der amerikanischen Hauptstadt stellte er fest: „Es ist klar, daß der Euro alle Voraussetzungen für eine wichtige internationale Währung schafft. In der Tat kann es kaum Zweifel geben, daß der Euro eine harte Währung ist.“

Die gegenwärtige Euro-Stärke macht die Schwäche des US-Dollars um so deutlicher, wie man teilweise an dem stark gestiegenen Preis für Rohöl erkennen kann. Obwohl die arabischen OPEC-Mitglieder den derzeitigen Ölpreis auf Rekordniveau nicht begrüßen, sind sie mit einem höheren Ölpreis als der Durchschnitt der letzten zwei Jahre schon einverstanden. Der OPEC-Ölpreis wird bekanntlich in US-Dollar festgelegt. Um den schwachen Dollar auszugleichen bzw. ihre Kaufkraft im bisherigen Maße beizubehalten, ist ein höherer Ölpreis gerechtfertigt, so die Ölscheichs.

Für die erdölproduzierenden Länder gibt es aber eine andere Möglichkeit, sich vor dem Wertverlust der US-Währung zu schützen: den Ölpreis in Euro statt US-Dollar festzulegen. Bei der derzeitigen Stärke des Euros zum Dollar hat sich der Ölpreis, auch bei den Rekordpreisen der letzten Wochen, für die Eurozone um nur ca. fünf Prozent gegenüber 2000 erhöht, als der Euro eine Schwächephase durchmachte.

Den OPEC-Mitgliedern ist diese Tatsache nicht entgangen. Im Januar 2004 offenbarte der venezolanische Ölminister Rafael Ramirez das Bestreben einiger OPEC-Länder, den Ölpreis nicht nur in US-Dollar, sondern auch in Euro festzulegen. „Es gibt Länder, die das vorschlagen. Es steht zur Diskussion“, sagte Ramirez in Caracas, ohne die Länder beim Namen zu nennen, die sich dafür einsetzten.

Der kanadische Energiefachmann Wilf Gobert meinte zu Ramirez’ Kommentar: „Die Symbolik eines möglichen Wechsels in der Zukunft ist meiner Ansicht nach riesengroß, nicht nur im Hinblick auf die Bedeutung für den US-Dollar, sondern auch wegen der implizierten Veränderung beim weltweiten Energiehandel“ (Globe and Mail, 12. Januar 2004).

Im Herbst 2003 ließ auch der russische Präsident Vladimir Putin aufhorchen, als er während einer gemeinsamen Pressekonferenz im Ural mit Bundeskanzler Gerhard Schröder gefragt wurde, ob Rußland einen Wechsel zum Euro für seinen Handel mit Erdöl überlege. „Wir schließen diese Möglichkeit nicht aus, die für unsere europäischen Partner interessant wäre“, meinte Putin dazu. Für Rußland wäre der Wechsel sinnvoll, zumal mehr als die Hälfte seiner Ölexporte nach Europa fließt.

Eine Abkehr vom US-Dollar zugunsten des Euros beim wichtigsten Energierohstoff der Welt hätte negative Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft: höhere Inflation und ein weiteres Ansteigen der ohnehin haushochdefizitären Handelsbilanz der USA. Anzumerken ist die Meinung einiger Beobachter, wonach Saddam Hussein in Wirklichkeit sein Schicksal besiegelte, als er sich dazu entschloß, Ende 2000 den Preis für irakisches Öl vom US-Dollar abzukoppeln und in Euro auszuweisen. Darüber hinaus beantragte er, seine bei der UN von Ölverkäufen hinterlegten Erlöse in Höhe von 10 Milliarden US-Dollar in Euro umzutauschen. Die Amerikaner versuchten vergeblich, diese Umstellung zu verhindern. Die zuständige UN-Kommission lehnte den Standpunkt der USA mit der Begründung ab, daß es keine juristische Basis gäbe, um die irakische Forderung zu blockieren. Die Fakturierung in Euro wurde am 6. November 2000 wirksam.

Warum ist die Stellung des Euros zum US-Dollar so wichtig? Charles Kupchan, Professor an der Georgetown University und Autor des Buches The End of the American Era: U.S. Foreign Policy and the Geopolitics of the 21st Century [„Das Ende der amerikanischen Ära: US-Außenpolitik und die Geopolitik des 21. Jahrhunderts“] schrieb in einem Beitrag für die Zeitschrift Atlantic Monthly:

„Die amerikanische Vorrangstellung ist nicht nur viel weniger solide als man meint, sie beginnt schon zu bröckeln. Und der kommende Herausforderer ist weder China noch die islamische Welt, sondern die Europäische Union, die dabei ist, die beträchtlichen Ressourcen und die historischen Ambitionen der einzelnen Staaten Europas zu bündeln.“ Dabei, so Kupchan, werden „die US-Notenbank und die Europäische Zentralbank Konkurrenten um die Kontrolle des internationalen Währungssystems sein“ (November 2002, Seite 44; Hervorhebung durch uns).

Europas Stellung gegenüber den USA wurde durch den EU-Beitritt zehn neuer Mitgliedsstaaten in Osteuropa zum 1. Mai 2004 gestärkt. Damit wurde auch die Teilung Europas, ein Resultat des Zweiten Weltkriegs, symbolisch beendet. Die Verleihung des Karlspreises an den Papst war die Anerkennung für seinen allgemein anerkannten Beitrag zu diesem Einigungsprozeß in den letzten 20 Jahren. Daß die Auszeichnung im Vatikan überreicht wurde, zeugte auch von einer weiteren wichtigen Symbolik in der Geschichte Europas: der Einfluß Roms.

Roms Aufstieg wurde lange im voraus angekündigt

Mit der Verleihung des Karlspreises an Johannes Paul II. schloß sich der Kreis, der 1957 in Rom, der ehemaligen Hauptstadt des Römischen Reiches, begonnen hatte, als sechs Länder die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) gründeten. Die Unterzeichner der Römischen Verträge waren sich der Wichtigkeit ihres Handelns bewußt. In einem Interview mit dem britischen Sender BBC beschrieb Henri Spaak, der Belgien in Rom vertrat und später NATO-Generalsekretär wurde, die Atmosphäre bei der historischen Unterzeichnung: „An jenem Tag fühlten wir uns wie Römer ... Wir erschufen bewußt das Römische Reich wieder.“

Für die meisten Menschen heute ist das Römische Reich nur geschichtlich relevant und ohne direkten Bezug zum modernen Leben. Das politische und religiöse System Roms zieht sich hingegen wie ein roter Faden durch die Bibel, in der die Existenz dieses Systems in unserer Zeit vorausgesagt wurde. Nicht nur das: Der Aufstieg des ursprünglichen Römischen Reiches wurde Jahrhunderte vor seiner Entstehung angekündigt.

Man mag es nicht glauben, aber der alttestamentliche Prophet Daniel, der ca. 600 Jahre vor Jesu Geburt lebte, prophezeite die Entstehung dieses Reiches. Daniels prophetische Tätigkeit begann, als der babylonische König Nebukadnezar im zweiten Jahr seiner Herrschaft einen beunruhigenden Traum hatte. Träume waren in der babylonischen Kultur sehr wichtig. Nebukadnezar war überzeugt, daß sein Traum von großer Bedeutung war.

Der babylonische Herrscher bat seine eigenen Zauberkünstler, ihm den Traum und dessen Bedeutung zu erklären. Sie konnten es aber nicht, denn die Zauberer kannten ja nicht einmal den Traum des Königs. Daniel war jedoch in der Lage, die Einzelheiten von Nebukadnezars Traum zu erklären und gab so dem König einen erstaunlichen Vorausblick auf die Geschichte.

Der Traum ist daher kein trockenes, langweiliges Schriftwerk der Antike, denn er enthält großartige Nachrichten! Es sind Vorausmeldungen für uns heute, Meldungen über bevorstehende Ereignisse. Der Traum zeigt uns die Vision vom kommenden Reich Gottes auf der Erde und macht es möglich, daß wir das jetzige Weltgeschehen verstehen können.

In seinem Traum sah Nebukadnezar eine menschliche Gestalt. Diese Gestalt bestand aus vier unterschiedlichen Teilen. Jedes wurde durch ein anderes Metall versinnbildlicht: „Du, König, hattest einen Traum, und siehe, ein großes und hohes und hell glänzendes Bild stand vor dir, das war schrecklich anzusehen. Das Haupt dieses Bildes war von feinem Gold, seine Brust und seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von Eisen und teils von Ton“ (Daniel 2,31-33).

Wie die Geschichte uns bestätigt, versinnbildlichte das Bildnis vier aufeinanderfolgende Regionalmächte im Nahen Osten, die die politische Bühne der zivilisierten Welt über Jahrhunderte hinweg bestimmten. Daniels Auslegung des Traums „präsentiert die vorbestimmte Nachfolge der Weltmächte, die den Nahen Osten bis zum endgültigen Sieg des Messias in den letzten Tagen beherrschen sollen“ (The Expositor’s Bible Commentary, Band 7, Seite 39 bzw. 46).

Daniel erklärte Nebukadnezar, daß sein babylonisches Reich durch den goldenen Kopf dargestellt wurde: „Du, König, bist ein König aller Könige ... Du bist das goldene Haupt“ (Daniel 2,37-38).

Die silbernen, bronzenen, eisernen und tönernen Komponenten des Bildnisses bzw. der Statue repräsentierten drei Regionalmächte, die dem babylonischen Reich folgen sollten (Verse 39-40). „Das silberne Reich war das medo-persische, das mit Kyrus dem Großen begann, als er 539 v. Chr. Babylon eroberte ... Dieses silberne Reich herrschte über zwei Jahrhunderte im Nahen und Mittleren Osten ...

Das bronzene Reich war das von Alexander dem Großen gegründete griechisch-mazedonische Reich ... Das bronzene Reich dauerte ca. 260 bis 300 Jahre, bevor es von dem vierten Reich ersetzt wurde ... Eisen steht für Härte und Rücksichtslosigkeit und beschreibt das Römische Reich, das seine weiteste Ausdehnung unter der Herrschaft Trajans erfuhr“ (ebenda, Band 7, Seite 47; der römische Kaiser Trajan regierte 98 bis 117 n. Chr.).

Die beiden eisernen Beine des Standbildes mögen das Ost- bzw. Westreich des Römischen Reiches darstellen, mit ihren Hauptstädten in Konstantinopel und Rom.

In seiner Wiedergabe des Traums beschrieb Daniel, was mit dem Standbild passierte: „Das sahst du [das Standbild], bis ein Stein herunterkam, ohne Zutun von Menschenhänden; der traf das Bild an seinen Füßen, die von Eisen und Ton waren, und zermalmte sie. Da wurden miteinander zermalmt Eisen, Ton, Kupfer, Silber und Gold und wurden wie Spreu auf der Sommertenne, und der Wind verwehte sie, daß man sie nirgends mehr finden konnte. Der Stein aber, der das Bild zerschlug, wurde zu einem großen Berg, so daß er die ganze Welt füllte“ (Daniel 2,34-35).

Das Standbild wurde an seinen Füßen getroffen. Die chronologische Reihenfolge der Reiche, die durch das Bildnis dargestellt werden, sollte von oben bis unten betrachtet werden. Oben Babylon, gefolgt von Persien, Griechenland und zum Schluß – unten – Rom. Die Füße und die Zehen – der letzte Teil des Bildnisses, von oben nach unten gesehen – sind also Teil des Römischen Reiches.

Welche Bedeutung hat der Stein, der das Bildnis zerschlug? In den Versen 44-45 lesen wir: „Aber zur Zeit dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Reich aufrichten, das nimmermehr zerstört wird; und sein Reich wird auf kein anderes Volk kommen. Es wird alle diese Königreiche zermalmen und zerstören; aber es selbst wird ewig bleiben, wie du ja gesehen hast, daß ein Stein ohne Zutun von Menschenhänden vom Berg herunterkam, der Eisen, Kupfer, Ton, Silber und Gold zermalmte“ (Hervorhebung durch uns).

Daniel prophezeite nicht nur die Reihenfolge der Regionalmächte, die den Nahen Osten ca. 1000 Jahre lang dominieren sollten, sondern auch, daß das Römische Reich dann existent sein wird, wenn Jesus sein Versprechen wahr macht und zur Erde zurückkehrt. Das ursprüngliche Römische Reich ging 476 n. Chr. unter. Daniels Interpretation läßt daher auf eine Fortsetzung bzw. Wiederbelebung dieses Reiches schließen, denn nur so kann die Prophezeiung erfüllt werden.

Mit den Königen, die an der Macht sind, wenn der Stein das Bildnis an seinen Füßen trifft (Daniel 2,44), sind die Zehen des Bildnisses gemeint (Verse 41-42). Es wird demnach zehn Könige geben, die eine endzeitliche Wiederbelebung des Römischen Reiches darstellen werden.

Das Geheimnis des vermißten Reiches

Wenn das Römische Reich wieder existieren soll, wo ist es jetzt? Das letzte Buch der Bibel, die Offenbarung, hilft uns, dieses Geheimnis zu verstehen. In Kapitel 17 finden wir eine symbolische Beschreibung eines religiös-politischen Systems, das mit dem eisernen Reich von Nebukadnezars Standbild in Daniel 2 verknüpft ist.

In den Versen 1-3 sehen wir eine „Hure“, biblische Symbolsprache für eine falsche Religion (die wahre Kirche hingegen wird immer als Jungfrau dargestellt), die auf „einem scharlachfarbenen Tier“ sitzt (Vers 3). Gemeint ist eine Zusammenarbeit zwischen bzw. eine Vermengung von Religion und Staat. Interessant ist, daß Religion und Politik in Europa in den 1700 Jahren, seitdem sich der römische Kaiser Konstantin zu dem abgewandelten Christentum seiner Zeit bekehrte, fast unzertrennlich gewesen sind.

Als der Apostel Johannes, dem diese Vision gegeben wurde, dieses zukünftige System sah, staunte er: „Und ich wunderte mich sehr, als ich sie sah“ (Vers 6). Johannes wurde dann gesagt: „Das Tier, das du gesehen hast, ist gewesen und ist jetzt nicht und wird wieder aufsteigen aus dem Abgrund und wird in die Verdammnis fahren.“ Diejenigen, die aufgrund religiöser Verführung den zeitlichen Ablauf biblischer Ereignisse nicht kennen, „werden sich wundern ..., wenn sie das Tier sehen, daß es gewesen ist und jetzt nicht ist und wieder sein wird“ (Vers 8).

Mit „es ist gewesen“ sollen wir verstehen, daß es bereits früher existierte; „es ist jetzt nicht“ bedeutet, daß es zur Zeit der Vision in Offenbarung 17 nicht existent ist, und „es wird wieder sein“ zeigt uns, daß das System, das Johannes in Vision sieht, in der Zukunft wiederbelebt wird. Das Tier – das religiös-politische System –, das wiederbelebt wird, wird in Versen 12-13 beschrieben: „Und die zehn Hörner [des Tiers, siehe Vers 3], die du gesehen hast, das sind zehn Könige, die ihr Reich noch nicht empfangen haben; aber wie Könige werden sie für eine Stunde Macht empfangen zusammen mit dem Tier. Diese sind eines Sinnes und geben ihre Kraft und Macht dem Tier.“

Die „zehn Könige“, die ihre Hoheit „dem Tier“ übertragen und mit ihm zusammen „für eine Stunde“ – eine verhältnismäßig kurze Zeit – „Macht empfangen“, stellen die Wiederbelebung dar, die „wieder sein wird“ (Vers 8). Wann soll das geschehen? Vers 14 nennt den Zeitpunkt und stellt damit die Verknüpfung zwischen den „zehn Königen“ in Offenbarung 17 und den zehn „Zehen“ des eisernen Reiches vom Bildnis in Daniel 2 her:

„Die werden gegen das Lamm kämpfen, und das Lamm wird sie überwinden, denn es ist der Herr aller Herren und der König aller Könige.“ Die zehn Könige werden gegen das Lamm, Jesus Christus, kämpfen. Die kurze Zeit, in der sie wirken dürfen, wird durch die Wiederkehr Jesu beendet (vgl. dazu Offenbarung 11,15). Jesus Christus ist auch der Stein in Daniel 2, der das Bildnis an seinen Füßen mit den (zehn) Zehen trifft. Fazit: Daniel 2, Verse 40-44 und Offenbarung 17, Verse 12-14 beschreiben dasselbe Ereignis: Der wiederkehrende Jesus Christus etabliert eine neue Weltordnung auf der Erde und beendet so die Herrschaft eines wiederbelebten Römischen Reiches, das durch die Zusammenarbeit von „zehn Königen“ zustande kommen wird.

Es mag Ihnen unglaublich vorkommen, aber diese Prophezeiung beschreibt die zukünftige Entwicklung Europas!

Die europäische Geschichte lehrt uns, daß diese endzeitliche Wiederbelebung des Römischen Reiches nicht die einzige in den 1500 Jahren seit dem Untergang des Westreiches mit seiner Hauptstadt Rom 476 n. Chr. gewesen ist. Das Ostreich bzw. Byzantinische Reich, mit seiner Hauptstadt in Konstantinopel (heute Istanbul), existierte weiter nach der endgültigen Teilung des Römischen Reiches 395 n. Chr. bis 1453. Der byzantinische Kaiser Justinian I. stellte 554 n. Chr. das Westreich wieder her. Karl der Große wurde 800 n. Chr. vom Papst zum Kaiser des römischen Reiches gekrönt, ebenso Otto der Große im Jahr 962.

Wie zu Beginn dieses Artikels erwähnt, bestand das Heilige Römische Reich bis in die Zeit Napoleons. Heute längst vergessen ist die Ausrufung des Römischen Reiches durch den italienischen Diktator Benito Mussolini nach seiner Machtübernahme. Mit den Lateranverträgen 1929 wurde das Verhältnis zwischen Mussolinis Regierung und der katholischen Kirche geregelt, indem die Vatikanstadt als souveräner Staat mit dem Papst als Staatsoberhaupt anerkannt und die katholische Religion als offizielle Staatsreligion Italiens bestätigt wurde.

Quo vadis, Europa?

Wie wird das Europa der Zukunft aussehen? Mit der Osterweiterung der EU in diesem Jahr ist eine Voraussage über den Weg zur politischen Einheit der Union komplizierter geworden, wie die Diskussion um die EU-Verfassung zeigt. Die Beschreibung in der Offenbarung zeigt, daß sich die endgültige Gestalt des wiederbelebten Römischen Reiches von der heutigen Europäischen Union klar unterscheiden wird. Zum Schluß werden zehn Führer, die zehn Staaten – oder Staatengemeinschaften – vorstehen, ihren gemeinsamen Einfluß einer zentralen Macht übertragen – dem „Tier“.

Manche Leser dieses Artikels mögen in dieser Voraussage ein reines Hirngespinst sehen. Zum einen ist es schwer vorstellbar, daß die EU-Mitgliedsstaaten ihre Hoheit vollständig abgeben. Ein strittiger Punkt bei der Diskussion um die EU-Verfassung ist die Abschaffung der einstimmigen Beschlußfassung im Ministerrat. Die „doppelte Mehrheit“ soll her, obwohl hier noch kein endgültiger Kompromiß gefunden worden ist.

Die kleineren EU-Länder wollen zumindest ein eingeschränktes Vetorecht haben. Darüber hinaus ist es undenkbar, daß Großbritannien einer Ausdehnung von EU-Vollmachten zustimmt, wenn dies die nationale Souveränität Großbritanniens tangieren würde – ein wichtiger Grund, warum Großbritannien noch nicht zur Eurozone gehört.

Zum anderen ist es schwer vorstellbar, wie die EU mit ihren 25 Mitgliedsländern „zehn Könige“ oder politische Führer sozusagen stellen soll. Das Zahlenverhältnis scheint nicht zu stimmen. Seit Jahren wird jedoch ein „zweigleisiges Europa“ vorgeschlagen, beispielsweise von Helmut Schmidt und Frankreichs Giscard d’Estaing. Auf ähnliche Weise wie die Währungsunion gehandhabt wird (nur diejenigen EU-Länder, die zur Währungsunion gehören, müssen die Kriterien für den Euro erfüllen), würden die Länder, die sich eine politische Föderation innerhalb der EU wünschen, mit diesem Vorhaben voranschreiten.

In einer Rede mit dem Titel „Quo vadis, Europa?“ [„Wo gehst du hin, Europa?“], die der deutsche Bundesaußenminister Joschka Fischer am 12. Mai 2000 in Berlin hielt, kündigte er seine Unterstützung für ein „Europa zweier Geschwindigkeiten“ an. Dabei betonte Fischer, daß er nicht in seiner offiziellen Funktion als Deutschlands Außenminister, sondern als Privatperson sprach.

Seine Vision fordert ein „Kerneuropa“, welches von wenigen Ländern innerhalb eines größeren Europas gebildet würde: „Ein solches ,Kerneuropa‘ müßte die Avantgarde oder die Lokomotive für eine politische Integration sein und würde alle Elemente einer späteren Föderation beinhalten“ – ein kleines Machtzentrum Europas innerhalb der Europäischen Union, wie ein Kommentator erklärte.

Fischers Anregung eines „Europas zweier Geschwindigkeiten“ ist interessant, denn die EU fährt jetzt schon zweigleisig. Beim Euro sind nur zwölf EU-Mitgliedsstaaten beteiligt, und das Schengener Abkommen, das die gemeinsamen inneren Grenzen und die Verantwortung für die äußeren Grenzen der beteiligter Staaten festlegt, haben nur neun EU-Länder unterzeichnet.

Bis auf einen negativen Kommentar des französischen Innenministers, der Deutschland beschuldigte, das Heilige Römische Reich wiederbeleben zu wollen, waren die Reaktionen der ursprünglichen EU-Länder auf Fischers Rede im allgemeinen zustimmend. Die skandinavischen Mitglieder der EU sowie England und Irland waren eher ablehnend.

Ein neues „Nachkriegseuropa“ entsteht! Die Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat und für die daher die europäische Einigung ursprünglich eine Friedensinitiative war, stirbt langsam aus. Dazu nochmals Dr. Kupchan: „Die junge Generation in Europa kennt weder den Zweiten Weltkrieg noch den kalten Krieg und hat daher keine Vergangenheit, der sie entfliehen möchte. Das Resultat? Eine neue politische Richtung entsteht, in der Integration ein Mittel zur Steigerung europäischen Einflusses und zur Durchsetzung ... internationaler Ambitionen ist.“

Die Zeitschrift Gute Nachrichten beobachtet den europäischen Einigungsprozeß vor dem Hintergrund biblischer Prophezeiungen und wird in Zukunft wieder darüber berichten. Wir möchten nicht, daß die Zukunft Europas Sie überrascht! Zum besseren Verständnis der in diesem Artikel behandelten Themen empfehlen wir Ihnen unsere kostenlosen Broschüren Die Bibel: Wahrheit oder Legende? und Das Reich Gottes – eine gute Nachricht. Auf Anfrage senden wir sie Ihnen gerne zu.

– Gute Nachrichten September-Oktober 2004 PDF-Datei dieser Ausgabe

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