Wenn Kinder ihre Eltern aussuchen könnten

Wenn Kinder ihre Eltern aussuchen könnten © sathyatripodi/Pixabay
Liebevolle und verständnisvolle Eltern zu haben ist ein Glücksfall im Leben eines Kindes. Kinder können ihre Eltern aber nicht auswählen. Aber wenn sie das dürften, welche Kriterien hätten sie?

Wenn Ihre Kinder die Wahl gehabt hätten, wären Sie als Vater oder Mutter ausgewählt worden?

Von der Redaktion

„Suche Dir die richtigen Eltern aus“, lautet ein nicht ganz so ernstgemeinter Rat an die Kinder. Da Eltern den größten Einfluß auf ihre Kinder ausüben, ist es von großem Vorteil, weise Eltern zu haben.

Kinder können sich ihre Eltern allerdings nicht aussuchen. Sie müssen mit dem vorlieb nehmen, was sie vorfinden. Viel zu oft wird ihnen auch die Nähe zu einem Elternteil durch Scheidung entzogen – ein Ereignis, über das Kinder keine Kontrolle haben.

Manchmal gewinnt man ein besseres Verständnis, wenn man eine Situation aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ich möchte deshalb mit Ihnen überlegen, was aus der Sicht der Kinder wichtig wäre, wenn sie ihre Eltern selbst aussuchen könnten.

Kinder wollen und brauchen beide Elternteile

Zuallererst wollen Kinder, daß die Eltern friedlich mit ihnen unter einem Dach leben. Vor einer Trennung der Eltern fürchten sie sich. Im Falle einer Scheidung zwischen Vater oder Mutter wählen zu müssen ist für sie eine Qual. Oftmals bricht dann die Beziehung zum Vater ab, da ungefähr 50 Prozent aller deutschen Väter bereits ein Jahr nach der Scheidung keinen Kontakt mehr zu ihren Kindern haben. So dient der überwiegende Teil der Väter, die durch Scheidung von der Familie getrennt leben, nur noch als Geldgeber.

Da die meisten Kinder im Falle einer Trennung ihrer Eltern bei der Mutter bleiben, kommt es vor, daß das Kind sich an mehrere Partner der Mutter gewöhnen muß. Die Zeitschrift Geo berichtete: „Fest steht: Biologische Vaterschaft verliert, soziale Vaterschaft gewinnt an Bedeutung ... Stetig mehr Männer werden nicht zu einem Kind kommen, indem sie es zeugen, sondern indem sie es übernehmen von einem andern Mann, der eine neue Familie gründet oder sich seinerseits einer bereits vorhandenen Mutter-Kind-Gemeinschaft anschließt“ (1/2001).

Untersuchungen belegen immer wieder, daß Kinder in einem Haushalt, in dem beide biologischen Elternteile leben, am besten aufgehoben sind: „Kinder aus Ein-Eltern-Familien laufen ein zwei- bis dreimal höheres Risiko, emotionale und Verhaltensprobleme zu entwickeln als Kinder, die mit ihren biologischen Eltern zusammenleben“ („Physician and Pastor: Co-laborers“, Hilton Terrell, Journal of Biblical Ethics in Medicine, Ausgabe Frühling 1993, Seite 31-42).

Forscher sind sich auch einig, daß sich das Aufwachsen ohne Vater negativ auf die schulischen Leistungen und intellektuellen Fähigkeiten der Kinder auswirken kann. Dabei ist der negative Einfluß durch die Trennung der Eltern größer als beim Tod des Vaters.

Auf der anderen Seite verfügen Kinder, bei denen Väter Einfluß auf die Entwicklung ausüben, über eine größere Streßtoleranz und über eine höhere Sicherheit bei moralischen Urteilen. Der Zusammenhang zwischen Kinder- und Jugendkriminalität, sozialer Auffälligkeit und dem fehlenden Vater im Leben dieser Kinder gilt heute als eindeutig belegt.

Die Behauptung, daß es Kindern besser gehen würde, wenn ihre Eltern eine schlechte Ehe beenden, hat sich in vielen Fällen als Wunschdenken erwiesen.

Studien mit Kleinkindern weisen auf die Orientierungslosigkeit hin, die sich beim häufigen Wechsel von Beziehungspersonen einstellen kann. Wiederholtes Verlassenwerden schürt nicht nur Ängste, sondern baut auch Schuldgefühle auf.

Kinder meinen fälschlicherweise, sie würden die Schuld dafür tragen, daß sich ein Elternteil abwendet. Das führt nicht selten dazu, daß sich die Kinder selbst nicht liebenswert finden und es im späteren Leben schwer haben, andere zu lieben.

Häufig tendieren solche Kinder zu frühen Ehen, frühen Scheidungen und insgesamt zu ungefestigten, oberflächlicheren Beziehungen. Es ist ein Kreislauf, der von Generation zu Generation übertragen wird und sich schwer durchbrechen läßt.

Kinder möchten von den eigenen Eltern erzogen werden

Wenn Kinder die Wahl hätten, würden sie sich für Eltern entscheiden, die sie selbst erziehen und nicht den ganzen Tag in die Obhut von Kindertagesstätten oder einer Tagesmutter geben. Oft wird nur überlegt, ob eine Mutter zu Hause bleiben oder arbeiten gehen sollte, die Interessen des Kindes treten dabei manchmal in den Hintergrund. Wenn wir uns aber überlegen, was das beste für das Kind ist, wird die Situation klar.

Kindertagesstätten können einem Kind nicht die persönliche Aufmerksamkeit geben, die für eine gesunde Entwicklung notwendig ist. „Je jünger das Kind ist, wenn es in eine Tagesstätte kommt, desto eher wächst es zu einem unausgeglichenen Erwachsenen heran“ (Current Thoughts and Trends-Stellungnahme zu „Children of the Universe“, Amitai Etzioni, Utne Reader, Mai-Juni 1993, Seite 52-61).

Häufig werden die finanziellen Vorteile dafür angegeben, Kinder in Tagesstätten oder in die Obhut einer Tagesmutter zu geben. In Wirklichkeit wird aber in vielen Fällen ein Großteil des zweiten Einkommens wieder für die Betreuung der Kinder und das zweite Fahrzeug ausgegeben, ebenso für Restaurantbesuche und Fastfood, weil niemand zu Hause ist, der die Mahlzeiten vorbereitet.

Eine Reihe von Eltern entscheidet sich dafür, die Bedürfnisse ihrer Kinder an die erste Stelle zu setzen. Sie nehmen einen niedrigeren Lebensstandard in Kauf, um das Familienleben nicht zu gefährden. Um dies zu erreichen, bleiben einige Mütter bei ihren Kindern. In anderen Fällen nehmen sie eine Teilzeitarbeit an, während die Väter bei den Kindern bleiben, wieder andere arbeiten von zu Hause aus.

Wenn Kinder wählen könnten, würden sie ohne Zweifel Eltern nehmen, die ihr Wohlergehen vor finanzielle Fragen stellen.

Wertvolle Zeit

Das nächste Kriterium eines Kindes für die Entscheidung wäre wohl, Eltern auszuwählen, die Zeit mit ihm verbringen.

Die verbreitete Annahme, daß ein Mangel an Aufmerksamkeit dadurch wettgemacht werden kann, daß man die wenige Zeit, die man mit dem Kind verbringt, gut nutzt, dem Kind sozusagen „Qualitätszeit“ gibt, bekommt aus Sicht des Kindes schlechte Noten. Für Kinder ist die Quantität in Bezug auf Zeit wichtiger als die vermeintliche Qualität.

Der Soziologe Mark Warr von der Universität Texas bestätigte, daß neue Studien „die heute vorherrschende Betonung auf Qualitätszeit sehr in Frage stellen. Obwohl Qualitätszeit ganz bestimmt wünschenswert ist, ist die Zeitdauer, die mit der Familie verbracht wird, nicht irrelevant. Kleine Mengen an Qualitätszeit reichen manchmal nicht aus, um kriminellen Aspekten, denen Heranwachsende nicht selten ausgesetzt sind, zu entgegnen“ (Family in America, Februar 1994).

Mit anderen Worten ist der häufige und regelmäßige Umgang der Eltern mit ihren Kindern wichtig, damit der zunehmende negative Einfluß von Außen (und häufig auch von Innen via Fernsehen und Musik) zu Hause verarbeitet werden kann.

Idealerweise sollten Kinder genügend Zeit mit ihren Eltern verbringen, um beobachten zu können, wie Vater und Mutter arbeiten. Im Umgang mit den Eltern können Kinder eine gute Arbeitsmoral lernen.

Eltern sollten ihren Kindern auch im gesellschaftlichen Umgang ein Vorbild sein, wie z. B. bei der Nachbarschaftshilfe. Wenn Kinder sich zusammen mit ihren Eltern um andere kümmern, lernen sie, eine hilfsbereite und gebende Einstellung zu entwickeln.

Wenn Kinder beobachten können, wie der Vater der Mutter einen liebevollen Kuß gibt, wie die Mutter mit dem Vater lacht, und wie sich beide Elternteile gegenseitig respektieren, dann lernen sie, wie eine glückliche Ehe funktionieren kann. Das Miterleben dieser vermeintlichen Kleinigkeiten im Alltag tragen viel zur gesunden Entwicklung von gesellschaftlich reifen Kindern bei.

Die Bedeutung von Ermutigung

Ein anderer Aspekt für die Kinder wäre eine ermutigende Umgebung. Kinder wünschen sich Eltern, die ein starkes persönliches Interesse daran haben, ihnen bei der Entwicklung ihrer Fähigkeiten und beim Finden ihres Lebensweges zu helfen.

Kinder versuchen, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen. Ihnen wird deshalb am besten gedient, wenn Mutter oder Vater immer wieder versichern, daß sie erfolgreich sein können. Traurigerweise dominiert in vielen Familien die negative Kritik. „Der Psychologe Larry Kubiak sagt, daß Eltern im Durchschnitt nur 14 Minuten am Tag mit ihren Teenagern reden. Davon sind 12 Minuten negativ, eine Minute neutral und eine Minute positiv“ („Youthworker Update“, November 1993).

Gute Eltern zu sein bedeutet, die Bedürfnisse unserer Kinder vor unsere eigenen Wünsche zu stellen. Wenn Sie Kinder haben, geben Sie ihnen, was sie sich wünschen: ein positives, ermutigendes Zuhause, in dem beide Elternteile in Frieden zusammenleben. Die Zukunft unserer Kinder und letztendlich die unserer Gesellschaft hängt davon ab.

– Gute Nachrichten Juli-August 2003 PDF-Datei dieser Ausgabe

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