Könnten Sie nicht jede Woche einen Ruhetag brauchen?

Sonnenaufgang © Dingzeyu Li/Unsplash
Was zeigt uns der Wochenzyklus von sieben Tagen? Hat dieser Zyklus mit unserem Wohlergehen zu tun? Heute scheint es, als lebe jeder sein Leben in einem rasanten Tempo, um alles zu schaffen.

Was zeigt uns der Wochenzyklus von sieben Tagen und der Rhythmus von Tag und Nacht? Birgt sich eine wichtige Botschaft in dieser natürlichen Ordnung für unser persönliches Wohlergehen?

Von Paul Kieffer und John Ross Schroeder

Unsere Gesellschaft hat in den letzten Jahrzehnten einen erstaunlichen Wandel erfahren. Es scheint, als lebe jeder sein Leben in einem rasanten Tempo, ständig hin und her hastend, um alles schaffen zu können. Der technische Fortschritt, der uns einst mehr Freizeit versprach, fordert uns ständig zum Mithalten heraus.

Mit welchem Resultat? Für viele Menschen in der westlichen Welt bleibt kaum Zeit übrig, um die Errungenschaften ihres materialistischen Strebens zu genießen. Vor einigen Jahren traf Celia Brayfield in einem Kommentar für die Londoner Times den Nagel auf den Kopf: „Dreißig Jahre der Habgier bescherten uns einen Luxus, den sich vergangene Generationen nicht hätten erträumen können. Uns fehlt jedoch die Freizeit, um ihn zu genießen.“

Brayfield warnte ihre Leser vor einer „Armut an Zeit“: „Wenn nicht das Bewusstsein unserer ,Zeitarmut‘ wächst, werden wir einen Punkt erreichen, wo keine Veränderung mehr möglich ist. Wir sind jetzt schon vereinsamt, gestresst und krank“ (24. April 2000).

Eine übertriebene Einschätzung? Vielleicht. Unbestreitbar ist jedoch, dass unsere moderne Gesellschaft unter einem selbst auferlegten Zeitdruck steht.

„Natürliche“ Ruhepausen durch Technik beseitigt

Früher bedeutete der Einbruch der Dunkelheit das Ende vieler Betätigungen für den betreffenden Tag. Ohne Tageslicht konnte die Arbeit nicht fortgesetzt werden, die Nacht zwang zur Einhaltung einer „natürlichen“ Ruhepause. Mit der Erfindung der Glühbirne durch Thomas Edison gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Nacht jedoch buchstäblich zum Tag gemacht. Doch diese wunderbare Erfindung hat nicht nur Gutes bewirkt: „Schätzungen zufolge schlafen wir heute um anderthalb Stunden pro Nacht weniger als noch vor hundert Jahren“ (Newsweek, 12. Januar 1998).

Für manche Arbeitnehmer sind acht Stunden Arbeit am Tag die Ausnahme, nicht die Regel. Die „freiwilligen“ Stunden über die normale Arbeitszeit hinaus, die mancher Arbeitgeber in Japan bei seinen Angestellten voraussetzt, werden durch schlafende Pendler in öffentlichen Verkehrsmitteln auf dem Weg zur oder von der Arbeit bezeugt. Zum Munterwerden verabreichen Getränkeautomaten auf den Bahnsteigen müden Bürokriegern eine „Jolt“-Cola, eine Limonade mit doppeltem Koffeingehalt („jolt“ heißt in diesem Sinne so viel wie „heftig wachrütteln“).

Das Tempo des modernen Lebens scheint jedoch seinen Tribut zu fordern. Fehlende Ruhe schwächt bekanntlich die Widerstandskraft des Körpers gegen Infektionen. Verschiedene Studien lassen darauf schließen, dass Schlafdefizite bei gesunden Menschen die Produktion von Schutzzellen reduzieren.

„Experimente mit Freiwilligen haben gezeigt, dass das Immunsystem erheblich geschwächt wird, wenn man versucht, zwei oder drei Tage lang ohne Schlaf auszukommen“ (Dr. Paul Martin, The Healing Mind, 1997, Seite 70).

Die Auswirkungen einer gewohnheitsmäßigen Überbeanspruchung des Körpers beschränken sich nicht allein auf die körperliche Gesundheit. Psychologische und emotionale Belastungen gehen ebenfalls mit mangelnder Ruhe einher. Jonathan Scales, der als Forschungsreferent an dem Institut für „Health and Social Services“ in Großbritannien tätig ist, stellt fest, dass „lange Arbeitstage auf Dauer zur vermehrten Stressbelastung führen und dem emotionalen Wohlergehen abträglich sind“ (Londoner Times vom 25. Oktober 1999).

Die 24-Stunden-Gesellschaft

Mit der Unterteilung in Tag und Nacht gibt der natürliche Tagesablauf klare Arbeits- und Ruhezeiten vor. Unsere moderne Welt bewegt sich hingegen zunehmend in Richtung der 24-Stunden-Gesellschaft, in der man zu jeder Zeit Tätigkeiten verrichten kann, die früher dem Tag vorbehalten waren. Das Kabel- und Satellitenfernsehen liefern uns Unterhaltung zu jeder Tageszeit, auf verschlüsselten Kanälen sogar auf Bestellung. Das Internet macht Einkäufe und Bankgeschäfte rund um die Uhr möglich.

In anderen westlichen Ländern – die USA sind wohl das auffälligste Beispiel – kann man auch im Laden zu jeder Tageszeit einkaufen, da es kein strenges Ladenschlussgesetz, sondern allein das wirtschaftliche Gesetz von Angebot und Nachfrage gibt.

Die Aufweichung von „geregelten“ Arbeits- und Ruhezeiten bringt soziale bzw. gesellschaftliche Veränderungen mit sich. War es vor einer Generation noch üblich, dass ein Familienvater zum Schluss seines Arbeitstages zu einer Zeit zu Hause war, zu der die Familie gemeinsam Abendbrot essen und sich über die Ereignisse des Tages unterhalten konnte, kommt es heute nicht selten vor, dass beide Partner berufstätig sind und sogar unterschiedliche Arbeitszeiten haben. In solchen Situationen sind die Kinder oft sich selbst überlassen, und die Beziehung zwischen Eltern und Kindern leidet darunter.

Bei all dieser Hektik überrascht es nicht, wenn über den fehlenden geistigen Tiefgang des modernen Menschen nachgedacht wird. Dazu meinte der amerikanische Schriftsteller Norman Cousins: „In Amerika haben wir alles, was wir brauchen, bis auf das wichtigste: Zeit zum Nachdenken bzw. die Gewohnheit des Denkens . . . Unser Zeitalter wird sich wahrscheinlich nicht durch eine große Zahl von Denkern auszeichnen. Es ist nicht die Ära des nachdenklichen, sondern des eilenden, stirnrunzelnden und schubsenden Menschen“ (Human Options, 1981, Seite 28 bzw. 69, Hervorhebung durch uns).

Zur Erhaltung der eigenen körperlichen und geistigen Gesundheit und zur Pflege wichtiger zwischenmenschlicher Beziehungen brauchen wir alle in regelmäßigen Abständen eine Pause von unserer Alltagsroutine.

Was wird aus der Sonntagsruhe?

Vor diesem Hintergrund ist die Gesetzgebung der letzten Jahre in der Bundesrepublik Deutschland interessant. Die Ladenöffnungszeiten am Sonntag wurden bekanntlich gelockert. Waren früher die Geschäfte sonntags nur dort geöffnet, wo Reisende anzutreffen waren – beispielsweise am Bahnhof –, so können heute Bäckereien zeitweise ihre beliebten Brötchen verkaufen, und in bestimmten Fällen kann sogar für ein ganzes Einkaufsgebiet ein „verkaufsoffener“ Sonntag ausgerufen werden.

Einigen ging diese Lockerung nicht weit genug, andere – wie Vertreter der großen Konfessionen – warnten vor einer Aushöhlung der Sonntagsruhe. Diese jahrzehntelange Tradition hatte in den letzten 150 Jahren jedoch weniger mit der Einhaltung eines der Zehn Gebote als mit dem Schutz der Arbeitnehmerschaft in einer Zeit der zunehmenden Industrialisierung zu tun.

Gesetze kann man ändern, und Traditionen können neuen Trends weichen. Derzeit scheint vielen Deutschen ein geruhsamer Sonntag immer noch wichtig zu sein. In einer Umfrage des Allensbacher Instituts für Demoskopie im Jahr 2002 meinten mehr als drei Viertel der befragten Bundesbürger, der Sonntag sei für sie ein „ganz besonderer, unverzichtbarer Tag“ bzw. „ein Tag der Erholung und Entspannung“. Nur 40 Prozent meinten hingegen, der Sonntag sei „ein Tag der Besinnung“, während der Sonntag für 57 Prozent der Umfrageteilnehmer ein Tag ist, an dem man machen kann, was man will.

Daran erkennt man, dass dieser Tag eigentlich der eigenen Freizeitgestaltung gewidmet wird. Der Sonntag verliert also langsam aber sicher seine religiöse Bedeutung, selbst für Konfessionschristen. Nur 58 Prozent der befragten Katholiken sehen den Sonntag als den Tag der Woche, an dem Gott von seiner schöpferischen Tätigkeit geruht hat. Nur 38 Prozent der Katholiken unter 30 Jahren sehen diese Verknüpfung.

Gingen in den 1950er Jahren 50 Prozent der deutschen Katholiken sonntags zum Gottesdienst, so sind es heute nur noch sechzehn Prozent. Zwei Drittel der befragten Deutschen meinten sogar, sie würden so gut wie nie in die Kirche gehen (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 30. November 2003).

In einer Gesellschaft, die auf anderen Gebieten die klaren moralischen Vorgaben der Bibel ablehnt und eigene Wege geht, wird sich die Sonntagsruhe ohne tief greifende religiöse Erneuerung nur dann behaupten, wenn sie als Tradition weiter akzeptiert wird. Wenn sich andere Vorstellungen durchsetzen oder der internationale Wettbewerb in unserer globalisierten Welt unwiderstehlich wird, kann man die Sonntagsruhe schon als Opfer auf dem Altar des vermeintlichen Fortschritts sehen.

Kann es sein, dass mehr als nur ein willkürliches Gebot hinter der biblischen Aufforderung steckt, jede Woche einen Ruhetag einzuhalten? Die biblische Schöpfungsgeschichte offenbart den siebten Tag der Woche – Samstag, nicht Sonntag – als Ruhetag, der nach den Worten Jesu Christi für den Menschen geschaffen wurde (Markus 2,27-28). Dieser Tag ist somit Teil des natürlichen Wochenzyklus von sieben Tagen, eine Pause, die der Schöpfer seinen Geschöpfen jede Woche schenkt.

Von allen Beziehungen, die unter der Hektik unserer Zeit leiden, ist die zu unserem Schöpfer die wichtigste. Der geringe Stellenwert, den unsere Gesellschaft dem Sabbat beimisst, spiegelt lediglich unsere Ablehnung gegen unseren Schöpfer wider. Sollten Sie sich nicht lieber alle sieben Tage eine wohlverdiente Pause gönnen, um ihn besser kennenzulernen?

Ist der Sabbat „jüdisch“?

Erwähnt man den Sabbat, so denken die meisten Menschen wohl an die Juden. Und das aus gutem Grund: Die Juden wissen, dass der Sabbat der biblische Ruhetag am siebten Tag der Woche ist. Der Sabbat ist jedoch nicht „jüdisch“ bzw. allein für die Juden vorgesehen. Er wurde bereits bei der Schöpfung eingesetzt (1. Mose 2,2-3), ca. 2000 Jahre vor der Geburt von Juda, dem Stammvater der Juden, und Gott nennt ihn nicht den „jüdischen“ Sabbat, sondern „meinen Sabbat“ (2. Mose 31,13; alle Hervorhebungen durch uns).

Jesus betonte, dass der Sabbat nicht um der Juden, sondern „um des Menschen willen gemacht“ worden sei (Markus 2,27-28). Darüber hinaus waren die Juden nur ein Teil des Volkes Israel, dem Gott seinen Sabbat gab. Die anderen israelitischen Stämme bewahrten ihre Identität nicht, weil sie den Sabbat verwarfen.

Eigentlich war der Sabbat am siebten Tag der Woche der erste christliche Ruhetag. Jesus, seine Apostel und die ersten Christen hielten alle den Sabbat am siebten Tag der Woche. Später setzte sich die römische Staatskirche über die klaren Aussagen der Bibel hinweg und führte den Sonntag, den ersten Tag der Woche, als christlichen Ruhetag ein. Diejenigen, die dem biblischen Sabbat treu blieben, wurden sogar verfolgt.

Der natürlichen Gesinnung des Menschen sind die Dinge Gottes fremd (Römer 8,7). Dazu gehört auch der „Sabbat für den Herrn“ (3. Mose 23,3). Es ist daher verständlich, wenn der durchschnittliche Konfessionschrist eine Abneigung gegen den Sabbat empfindet. Im Allgemeinen lässt sich auch der Antisemitismus wenigstens zum Teil aus diesem Grund erklären.

– GN März-April 2016 PDF-Datei dieser Ausgabe

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