Familiäre Krisen:
Helfen Sie Ihrem Kind, damit fertig zu werden!

Trauriger Junge © Free-Photos/Pixabay
Jede Familie kann schwierige Zeiten erleben: finanzielle Probleme, eine Krebsdiagnose oder den Tod eines Verwandten. In solchen Zeiten weiß man oft nicht, was man den eigenen Kindern sagen soll.

Einer der größten Fehler, den Eltern in einer Krisensituation machen können, ist, nicht offen mit ihren Kindern darüber zu sprechen.

Von der Redaktion

Als Monika Schwarz erfuhr, daß sie sich einer schwierigen Operation unterziehen mußte, wußte sie nicht, wie sie es ihren Teenagern beibringen sollte. „Ich hatte Angst vor der Operation, aber ich wollte nicht, daß die Kinder sich sorgen würden. So sagte ich ihnen einfach, daß es sich um einen einfachen Eingriff handeln würde“, sagte sie. „Nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen wurde, erzählten sie mir, daß sie gewußt hatten, wieviel Angst ich gehabt hatte und daß sie mir böse waren, weil ich die Operation so heruntergespielt hatte.“

Als ihr Haus einem Brand zum Opfer fiel, konnten Bernd und Heidi Arendt nicht richtig mit ihrer Tochter darüber reden. „Immer wenn meine Tochter das Thema ansprach, sagte ich ihr, daß wir nicht über das Feuer sprechen wollten, es sei vorbei, und wir sollten an das neue Haus denken, in dem wir jetzt leben würden“, erzählte Bernd. „Als ich hörte, wie meine Tochter mit einer Freundin über ihre Ängste während des Feuers sprach, erkannte ich, daß wir ihr keine Gelegenheit gegeben hatten, uns zu sagen, wie sie sich fühlte. Es war ihr aber ein großes Bedürfnis, und wir haben ihr dabei nicht geholfen.“

Keiner ist immun

Die meisten Familien erleben irgendwann einmal schwierige Zeiten: einen schweren Autounfall, finanzielle Probleme, Arbeitslosigkeit, eine Krebsdiagnose oder den Tod eines Verwandten.

In solchen Zeiten weiß man oft nicht, was man den eigenen Kindern sagen soll. Manchmal scheint es besser, das Problem vor den Kindern zu ignorieren. Aber es ist einer der größten Fehler, den Eltern in einer Krisensituation machen können, den Kindern gegenüber nicht offen zu sein.

Ihre Kinder werden den Streß der Situation aber trotzdem spüren, ob Sie ihnen nun helfen, mit der Situation umzugehen, oder nicht.

„Eltern versuchen oft, die Probleme von ihren Kindern fernzuhalten, weil sie nicht wollen, daß sie sich Sorgen machen“, sagt Dr. Nancy Schlossberg, Professorin an der Universität Maryland und Autorin des Buches Going to Plan B. [„Zu Plan B übergehen“]. „Wenn Eltern nicht erklären, was sie bedrückt, denken Kinder, daß sie die Schuld daran tragen, weil sie etwas Falsches getan haben. Das kann für sie eine noch größere Belastung sein, als zu wissen, was wirklich passiert ist.“

Falls Eltern versuchen, ein Familienproblem zu verstecken, kann es trotzdem passieren, daß ihre Kinder über die Situation von einer anderen Quelle erfahren. Manchmal weiß die ganze Nachbarschaft, daß der Vater arbeitslos ist, aber niemand hat es den Kindern gesagt, bis sie es von einem Nachbarskind erfahren.

Dr. Carol Goldberg, die Familienseminare für Streßbewältigung leitet, erklärt: „Wenn man mit den Kindern nicht offen redet, und sie es trotzdem von jemandem anderen erfahren, glauben sie, daß man ihnen nicht vertraut und daß sie kein wichtiger Teil der Familie sind.“

Die Situation für alle erleichtern

Selbst wenn die ganze Familie von der Krise betroffen ist, wie bei einer Naturkatastrophe oder einem Autounfall, fühlen sich Eltern manchmal nicht wohl dabei, die Situation mit ihren Kindern zu diskutieren.

„Eltern verstärken oft ungewollt die Angst ihrer Kinder, indem sie ihnen sagen, nicht über die Situation zu reden“, sagt Dr. Jones. „Die Kinder haben so kein Ventil, wodurch sie ihre Gefühle ausdrücken und die Situation normalisieren können. Kinder müssen wissen, daß ihre Gefühle echt sind, daß sie mit ihren Erfahrungen nicht allein dastehen, und daß andere sich genauso gefühlt haben und es durch eine ähnliche Situation geschafft haben.“

Niemand möchte über unangenehme Situationen reden oder schlechte Nachrichten übermitteln, aber dies gehört manchmal zum Elternsein dazu.

„Als Eltern haben wir die Aufgabe, die Probleme und Lasten auf unsere Schulter zu nehmen, weil wir älter und größer sind, und wir sehen das Licht am Ende des Tunnels, was unsere Kinder nicht können“, sagt Dr. Bettie Youngs, eine Familientherapeutin und Autorin des Buches Stress and Your Child [„Streß und Ihr Kind“]. Sie fügt hinzu: „Eltern, die die Führungsrolle in der Familie innehaben, müssen darüber nachdenken, was in ihrem Leben passiert und wie sich dies auf die Kinder auswirkt, und sollten ihnen dann die Nachrichten auf eine Weise übermitteln, die schonend und sanft zugleich ist.“

Die folgenden Vorschläge können Ihnen helfen, Ihren Kindern schlechte Nachrichten zu übermitteln und somit ihnen helfen, Familienrückschläge mutig aufzunehmen.

• Seien Sie offen und ehrlich. Zeigen Sie Ihren Kindern, daß Sie ihre Fähigkeit respektieren, das Problem zu begreifen. Seien Sie offen und vermindern Sie dadurch den Streß für alle Betroffenen. Sonst können Ihre Kinder vielleicht denken, wenn sie mitbekommen, wie Sie sich Sorgen machen oder anscheinend ohne einen sichtbaren Grund ängstlich sind: „Oh, nein, mein Vater ist mir böse!“

Dr. Schlossberg sagt: „Es ist wichtig, daß Eltern das Problem analysieren und sich überlegen, wie sie mit der Situation umgehen wollen, denn wenn sie die Situation schlecht bewältigen, wird sich das auf die Kinder auswirken und sie ängstlich machen und ihnen viele Sorgen bereiten.“

Ihre Reaktion auf die Krise kann Ihrem Kind als Vorbild dienen. Wenn Ihre Familie z. B. einen finanziellen Engpaß erlebt, müssen Ihre Kinder nicht unbedingt einen emotionalen Ausbruch des Vaters hören, daß sich die Familie nichts mehr leisten kann. Sie brauchen aber eine objektive Erklärung, daß die Kinder aufgrund der Situation nicht ins Sommerlager fahren oder daß Sie das versprochene Fahrrad erst später kaufen können. (Es ist jedoch gut, eine vernünftige Alternative anzubieten.)

Obwohl Sie Kindern erklären sollten, welche Änderungen die Familie in dieser Zeit vornehmen muß, sollten Sie sie nicht mit Informationen überfordern und größere Themen als die anschneiden, nach denen die Kinder gefragt haben. Wenn man versucht zu erraten, was Kinder wissen wollen könnten, kann dies unbeabsichtigt dazu führen, daß die Kinder größere Sorgen bekommen, als sie es sich je erträumt hätten.

Es ist gut, die Kinder wissen zu lassen, daß Sie über die Situation unglücklich sind, aber Sie sollten sie nicht mit mehr belasten, als sie vertragen können. Sagen Sie einfach, daß Sie besorgt sind, wie z. B.: „Ich frage mich, ob wir mit meinem Gehalt allein alle Dinge bezahlen können, die wir gewohnt waren, jetzt wo Papa nicht arbeitet.“

Dr. Youngs erklärt: „Wenn Eltern besorgt oder ängstlich sind, machen Kinder sich auch Sorgen oder haben auch Angst. Kinder erwarten, daß Eltern alles für sie sind, ihr Schutz, ihre Welt, ob sie nun sechzehn oder sechs Jahre alt sind. Es beunruhigt Kinder, daß ihre Eltern sich Sorgen machen. Auf der anderen Seite ist eine gewisse Besorgnis angebracht. Sie zeigt, daß man über die Situation nachdenkt, weil nicht alles in Ordnung ist.“

• Ermutigen Sie Ihre Kinder, ihre Meinung auszudrücken. Unterstützen Sie Ihre Kinder darin, ihre Sorgen zu formulieren: „Hat dich das beunruhigt?“, „Hat dich das verängstigt?“. So geben Sie Ihren Kindern die Gelegenheit, ihre eigenen Gedanken auszudrücken und ihre Erfahrung zu normalisieren, indem sie sehen, wie andere auf eine Krisensituation reagieren.

Ihre Kinder brauchen auch Zeit, über das, was Sie ihnen gesagt haben, nachzudenken. Sie brauchen Zeit, das zu akzeptieren, was geschehen oder nicht geschehen wird.

• Vermitteln Sie Hoffnung. Versuchen Sie, etwas Positives an der Situation zu finden. Machen Sie deutlich, daß Sie die Hoffnung nicht aufgeben und daß Sie an einem Plan arbeiten, die Situation wieder ins Lot zu bringen. Betonen Sie, daß dies auch anderen Familien passiert ist und daß Ihre Familie es auch schaffen kann.

Versichern Sie Ihrem Kind, wie wichtig und stabil Ihre Familie ist. „Lassen Sie die Kinder wissen, daß die Familie in der gegenseitigen Unterstützung vereint ist, daß, was auch immer geschieht, die Eltern das Beste für ihre Kinder wollen und alle Hindernisse überwinden wollen“, rät Dr. Goldberg.

Vermitteln Sie Ihren Kindern, daß schwierige Zeiten, obwohl sie nicht einfach zu bewältigen sind, sie Familien aber auch stärken können. Erklären Sie, daß man Erfindungsgabe und Einfallsreichtum braucht, um Rückschläge zu meistern, und daß Sie wissen, daß Ihre Familie den Mut und die Stärke besitzt, um die Situation durchzustehen.

• Alle Familienangehörigen sollen in der Krise helfen. Binden Sie Ihre Kinder in die Phase der Problemlösung mit ein. Wenn es sich um finanzielle Probleme handelt, können Sie das Familienbudget in einer Familiensitzung diskutieren und Vorschläge der Kinder einholen, wie die Familie Geld sparen könnte. Stellen Sie ihnen Fragen wie: Welche Vorschläge hast du? Welche Schritte könntest du unternehmen, um zu helfen?

„Kinder fühlen sich als ein Teil des Teams, wenn Entscheidungen über Einsparungen geteilt werden, und wollen die Verantwortung für ihren Teil übernehmen, der Familie zu helfen“, sagt Dr. Schlossberg. „Sie können eine Menge Streß vermeiden, indem Sie Ihre Kinder in die Problemlösung mit einbinden bzw. sie bitten, über das Problem nachzudenken, Vorschläge zu machen und ein Teil des Prozesses zu sein.“

Wenn Sie um die Mitarbeit Ihrer Kinder bitten, um die Situation zu verbessern, können sie wichtige Fähigkeiten der Problemlösung und des Lebens lernen. Durch eine Zusammenarbeit können Eltern und Kinder in harten Zeiten enger zusammenwachsen.

Rückschläge können für jeden Familienangehörigen eine Gelegenheit sein zu lernen, wie man Krisensituationen einschränkt und wie man sie zusammen bewältigt.

– GN Mai-Juni 2001 PDF-Datei dieser Ausgabe

Gute Nachrichten
Postfach 301509
D-53195 Bonn

Telefon: (0228) 9 45 46 36
Fax: (0228) 9 45 46 37
E-Mail: info@gutenachrichten.org

Inhaltsverzeichnis ]  Artikel drucken ] Artikel kommentieren ]


© 1997-2024     Alle Rechte vorbehalten