Olympisches Ideal

Olympisches Ideal © Miguel Á. Padriñán/Pixabay
Wir erinnern an Beispiele früherer Spiele, sowohl positive als auch negative. Daraus können wir Lektionen erkennen, die uns bei dem überaus wichtigeren „Spiel“ des Lebens helfen können.

Sport scheint Höchstleistungen, aber zugleich auch sehr schlechte Eigenschaften hervorzubringen. Viele Lektionen aus dem Sport gelten auch für andere Bereiche des Lebens.

Von Graemme Marshall

Die olympischen Spiele sind das größte sportliche Ereignis der Welt. Egal wie viele Siegestitel ein Athlet sammelt, eine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen zu bekommen gilt als Höhepunkt der sportlichen Leistung. Inmitichen Höchstleistung ragen immer wieder Geschichten über wahre Sportlichkeit heraus.

Die gute Seite der Spiele

Eines der größten Beispiele ist Emil Zatopek, der größte tschechische Langstreckenläufer, der eine seiner wertvollen Goldmedaillen verschenkte.

1952 gewann Zatopek bei den Spielen in Helsinki am selben Tag Gold, als seine Frau den Wettbewerb im Speerwurf gewann. Beide waren das erste und einzige Ehepaar, das je am selben Tag eine Goldmedaille in verschiedenen Disziplinen gewonnen hatte. Zatopek war der Held der Olympiade von 1952, Sieger der 10 000 und 5000 m Strecken, als er sich dazu entschloß, den Marathon zu laufen, ein Rennen, das er nie zuvor gelaufen war. Während des Marathons fragte er einen anderen Läufer, ob sein Tempo in Ordnung sei. Die Antwort? Er sei zu langsam. Zatopek beschleunigte sein Tempo und gewann eine weitere Goldmedaille!

Der Athlet Ron Clarke träumte sein ganzes Leben vom olympischen Gold. Obwohl er 18 Weltrekorde erzielt hatte, hatte er während seiner Teilnahmen an den Olympischen Spielen nur eine Bronzemedaille gewonnen. Eines Tages, als er die Zatopeks besuchte, erhielt er eine kleine Schachtel mit der tel mit der Bitte, sie erst auf dem Weg nach Hause zu öffnen.

Als Clarke die Schachtel öffnete, entdeckte er eine von Zatopeks Goldmedaillen. Es lag ein Zettel mit der folgenden Notiz bei: „Lieber Ron, ich habe vier Goldmedaillen gewonnen. Es ist nur richtig, daß du eine davon bekommst. Dein Freund Emil.“ Dies zeigt beispielhaft den Geist von Sportlichkeit – zu siegen, mit einer Bereitschaft, wenn nötig, auch zu teilen.

Die dunkelste Seite des Sports kam bei den Olympischen Spielen von 1936 in Berlin zum Vorschein. Diese ersten Spiele, die je in Deutschland abgehalten wurden, wurden von dem Nazi-Regime zu einer gigantischen Propagandaveranstaltung mißbraucht. Der Versuch die Überlegenheit der „arischen Rasse“ gegenüber Athleten von anderen Teilen der Welt zu demonstrieren, wurde jedoch von Jesse Owens vereitelt, einem dunkelhäutigen Amerikaner, der der unbestrittene Star dieser Olympiade war.

1972 wurde die erwartungsvolle Freude wieder einmal zerstört, als elf Athleten, fünf Terroristen und ein Polizist bei dem Befreiungsversuch der entführten israelitischen Athleten ums Leben kamen. Einen Tag später, nach der Trauerfeier, wurde der Wettkampf fortgesetzt. Die olympische Fahne blieb auf Halbmast.

Olympische Ideale stehen oft im starken Kontrast zur Realität. Das olympische Motto citius, altius, fortius – schneller, höher, stärker – wird allzu oft von „nationalem Mißbrauch“ der Medaillen überschattet. Die Kommerzialisierung hat den Gedanken hinter den modernen Olympischen Spielen, den Baron Pierre de Coubertin ins Leben gerufen hatte, überflügelt. Er formulierte 1908, was zum Bekenntnis der modernen Olympischen Spiele werden sollte und während jeder Eröffnungsfeier auf der Anzeigetafel geschrieben steht:

„Das wichtigste an den Olympischen Spielen ist nicht zu siegen, sondern teilzunehmen, genauso wie das wichtigste im Leben nicht der Triumph, sondern der Kampf ist. Es nicht so wichtig, gewonnen zu haben, sondern gut gekämpft zu haben.“

Leider sind die Olympischen Spiele viel zu sehr ein Spiegelbild der menschlichen Gesellschaft geworden, wobei der olympische Gedanke oft mißbraucht wird.

Echte Sportlichkeit seltener?

Wie lange ist es her, daß man einen hochbezahlten Tennisspieler im Fernsehen dabei beobachten konnte, wie er seinen Ball wütend in dund sich mit dem Schiedsrichter stritt? Wie oft hört man von Athleten, die des Dopings überführt worden sind? Leider sehen wir solche Dinge viel zu oft. Sind Coubertins Ideale in Vergessenheit geraten?

Positive Beispiele geben uns Mut. Der Australier John Landy, der den Mittelstreckenlauf von 1952 bis 1956 dominierte und 1954 mit einem Weltrekord die magische vier Minuten Marke durchbrach, demonstrierte eine Einstellung zur Leichtathletik, die ihn zum Symbol all dessen machte, was für guten Sport steht.

Während eines Qualifikationsrennens für die Olympischen Spiele in Melbourne, 1956, fiel der Langstreckenläufer Ron Clarke. Landy, der sich selbst dafür verantwortlich machte, hörte sofort auf zu rennen, um nach Clarke zu schauen und sich zu entschuldigen. Er lief dann weiter, holte das Läuferfeld ein, ging in Führung und siegte. Die Verzögerung hatte ihn wahrscheinlich um einen weiteren Weltrekord gebracht.

Es sind die großartigen Athleten, die sich auch im Charakter und in der Menschlichkeit auszeichnen, die die höchste Klasse im Sport ausmachen. Leider werden diese Eigenschaften heute viel zu selten gezeigt.

Kommt es nur auf den Ses nur auf den Sieg an?

Sportfans lieben den Sieger. Wir jubeln, wenn unsere Mannschaft es in das Finale der Weltmeisterschaften oder der Champions League schafft. Erfolgreiche Mannschaften stehen im Rampenlicht der Medien. Champagner und Schulterklopfen begleiten die Sieger.

Zum Sieg aber gehören oft nur ein Punkt, ein Tor oder der Bruchteil einer Sekunde. Viele glauben, daß gewinnen alles bedeutet. Der Sieg steht deshalb sehr oft vor der Gesundheit oder den Verletzungen eines Spielers. Einschüchterungsversuche oder gezielte Versuche, den Gegner zu verletzen, gehören immer öfter zum Spiel.

Niederlagen sind nicht selten deprimierend. Köpfe werden gesenkt, die Füße auf den Boden gestampft. Einige machen beim Verlieren nicht gerade eine gute Figur.

Warum führen sich einige Sportler so unsportlich auf?

Die Medien tragen wohl einiges dazu bei, indem sie die Mannschaften mit Schlagworten völlig zerreißen. Hinzu kommt die wachsende Respektlosigkeit gegenüber den Regeln. Spieler streiten mit Schieds- und Linienrichtern. Tumulte unter den Teams sind keine Seltenheit. Es ist daher kein Wunder, daß Kinder die erwachsenen Stars nachahmen und daß Gewalt auch schon im Jugendsport Einzug hält.

Glücklicherweise gibt es auch viele Offizielle und Sportler, die sich nicht an der Gewalt im Sport beteiligen und sich um einen besseren Sport bemühen. Die Motivation zu gewinnen ist aber zu stark, um die meisten Sportarten zu verändern.

Viele Spieler verlieren oft mehr, als daß sie gewinnen. Niederlagen sind häufige Besucher im Leben, und wir müssen mit ihnen zurechtkommen lernen. „Demütig im Sieg, ehrbar in der Niederlage“ ist ein gutes Ideal, welches wir aber nur selten im Sport sehen – oder im Leben.

Die eng miteinander verbundenen Charaktereigenschaften, die man im Sport und im Leben findet, haben sich seit der Zeit der frühen Christen nicht sehr geändert, als der Apostel Paulus vor über 1900 Jahren bei den Isthmischen Spielen in Korinth über das Training der Athleten nachdachte. Er leitete Parallelen vom Boxen und Laufen ab.

In seinem Schreiben an die Korinther beschrieb Paulus das harte Training eines Läufers, seine Disziplin, seine Ausrichtung auf die Ziellinie als gleiche Voraussetzung für geistliche Anstrengungen. Der Apostel wies darauf hin, daß ein Läufer durch seine DisziLorbeerkranz erhält, der aber bald verwelkt, ein ernsthafter Christ aber strebt nach der unvergänglichen Krone (1. Korinther 9,24-27).

Paulus ermutigte die frühen Christen, danach zu streben, das Rennen des Lebens zu gewinnen. Er wußte jedoch, daß es Rückschläge und kurzzeitige Niederlagen auf diesem Weg geben würde. Niederlagen heben den Charakter eines Sportlers hervor. Manche geben ihr Bestes, strahlen sogar, während sie den Kampf verlieren.

Gewöhnlich erleben wir mehr Niederlagen als Siege. Auf der Reise des Lebens ist Demut ein ständiger Kampf, weil eine Tugend nicht finanziell belohnt wird, noch erfährt sie öffentliche Anerkennung. Lieber möchte man die Trophäe haben, das Geld nehmen und den Champagner trinken. Ruhm wird den tröstlichen Worten bei einer Niederlage vorgezogen.

Sportlichkeit im Spiel des Lebens

Viele der sportlichen Prinzipien gelten auch für das alltägliche Leben. Egal ob wir ein Teilnehmer oder nur ein Zuschauer sind, wir können die Prinzipien doch anwenden, indem wir Wutanfällen, Zorn und dem menschlichen Verlangen, zurückzuschlagen, nicht nachgeben.

Einige Athle

Einige Athleten sind für ihren „Fair Play“ und ihre Selbstkontrolle bekannt. Viele Sportler arbeiten hart an dem Ausbau ihrer Fähigkeiten, um durch Talent und Können zu gewinnen. Zu gewinnen ist ein Ziel, nach dem es sich zu streben lohnt. Der Sieg bedeutet aber nur etwas, wenn man bei einer Niederlage den Kopf hochhalten kann.

Werden wir in der Zukunft eine Zunahme im unehrenhaften Verhalten zu erwarten haben? Das Grundbuch für menschliches Verhalten, die Bibel, sagt nichts gegenteiliges aus. Solange der Mensch sein Herz, seinen Verstand und seine Einstellung nicht ändert, werden sich auch seine Handlungen nicht verbessern. Seine Emotionen unter Kontrolle zu halten, erfordert einen starken Charakter, wenn man herausgefordert wird. Man braucht Charakter, um den Kopf hochzuhalten, wenn man Rückschläge und Niederlagen erfährt.

Zu gewinnen bringt viel Spaß, und von anderen fähigen Sportlern herausgefordert zu werden, kann das Beste aus einem hervorbringen. Der Wunsch zu siegen motiviert uns dazu, schneller zu arbeiten, schneller zu rennen, schneller zu rudern oder schneller zu schwimmen. Zu siegen kann auch einen „Wettkampf“ mit den Hindernissen der Erde bedeuten, wie die Berge ode

Ein besserer Weg

Während die olympischen Mannschaften beim Einlauf während der Eröffnungsfeier ihre Landesflaggen tragen, soll die Abschlußzeremonie die Einheit hervorheben.

Seit den Olympischen Spielen von 1956 in Melbourne laufen alle Athleten bei der Abschlußfeier als eine Mannschaft ein, vereint unter der olympischen Flagge. Die Idee für diese Neuerung war das Resultat des politischen Geschehens jener Tage.

Nur ein paar Tage vor den Spielen stand nämlich die ganze Welt in Aufruhr. Während die Mannschaften sich auf den Weg nach Australien machten, marschierten sowjetische Panzer und Truppen in Budapest ein, um den ungarischen Aufstand zu beenden.

Ein paar Tage nach der Eröffnungszeremonie schrieb der Olympiateilnehmer John Wing einen Brief an das Olympische Komitee. Er schlug einen anderen Einmarsch der Athleten zur Abschlußfeier vor: „Während des Einmarsches wird es nur eine Nation geben ... Was könnte man sich mehr wünschen, als daß die ganze Welt zu einer Nation vereint werden könnte.“

So wurde dieser Einmarsch zur Tradition für alle folgenden Olympischen Spiele –Athleten ausash;Athleten aus aller Welt verabschieden sich als eine Mannschaft, statt getrennt unter ihren eigenen Landesflaggen zu marschieren. Welch ein inspirierender Gedanke, wie Sport in der vorhergesagten Welt von morgen sein könnte!

Die meisten Sportlerkarrieren sind kurz, das Spiel des Lebens ist jedoch viel länger und wichtiger. Aus diesem Grund müssen wir Demut im Sieg, und Ehre in der Niederlage lernen. Wenn man fair und guten Mutes kämpfen kann, hat man eine gute Grundlage für das weitaus wichtigere Spiel des Lebens gewonnen.

– Gute Nachrichten November-Dezember 2000 PDF-Datei dieser Ausgabe

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